DD254: Weckschrei Digitalisierung – Todesmarke zehn Prozent (Dezember 2015)

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DD254: Weckschrei Digitalisierung – Todesmarke zehn Prozent (Dezember 2015)

Raten Sie einmal, welches Wort im Jahre 2015 am meisten so sehr deutlich ausgesprochen wird. Es heißt – Sie raten es vielleicht nicht von selbst, obwohl Sie es dauernd hören – DIGITALISIERUNG.

Dieses Wort verwenden die Analogen jetzt so oft, weil sie das Digitale seit einigen Monaten irgendwie ernst nehmen. Sie befürchten jetzt wirklich, dass es praktische Konsequenzen in ihrem Leben haben könnte. Immer noch kursieren herbeigedichtete Beruhigungszahlen. „Wisst ihr, wie viel Prozent des Einzelhandels im Internet stattfindet? Haha, es sind nur so zehn Prozent!“ Ich fragte zurück: „Zählt ihr denn Lebensmittel dabei mit?“ – „Ja, und die Tankstellen!“ – „Wäre es nicht besser, man nähme für die Statistik nur all das, was tatsächlich im Internet verkaufbar wäre?“ – „Das haben wir schon versucht. Nach unserer Ansicht sollten nur etwa ein Prozent der Waren im Internet gehandelt werden, es sollten nur solche sein, wo es geradezu erforderlich ist – etwa bei Viagra. Wir haben diese winzige Warengattung zur Probe als Grundlage studienhaft verwendet und den globalen Internetumsatz durch den Gesamtweltumsatz der winzigen Warengattung dividiert. Dabei kommt bei allen Taschenrechnern mehr als hundert Prozent Internethandel heraus. Mehr als hundert Prozent geht ja logisch nicht, deshalb haben wir die wissenschaftliche Großstudie abgebrochen.“

Bei sehr vielen bis allen Innovationen ist der Goldene Moment gekommen, wenn der erste Interessent fragt, ob er das Neue schon zu dem in der Bildzeitung avisierten Preis kaufen und wann genau er es haben könne. Dann rollt das Neugeschäft an. Es ist am Anfang lächerlich klein, alle amüsieren sich über die entstehenden Minifirmen, von denen die meisten gleich wie Eintagsfliegen sterben. „Carsharing! Quatsch!“ Dann steigen die Autohersteller in das Business ein, um es zu kontrollieren und um alle diejenigen Autos von der Halde für Carsharing zu liefern, die sie gerade in Fehlfarben überproduziert haben… Das Alte mischt ein bisschen mit und ist unbesorgt. „Na, wir machen jetzt auch eBooks nebenbei, das bringt aber nicht viel ein. Es gibt uns aber einen modernen Anstrich.“ – „Ja, wir haben in der Bank auch Internet. Das ist Quatsch, aber die jungen Leute fragen nach Internetbankinng. Haha, ich arbeite doch seit Jahrzehnten in der Bankzweigstelle. Keiner weiß so gut wie ich, dass ich bei uns fast nur Leute eintreten sehe, die mit dem Internet rein gar nichts am Hut haben.“

Irgendwann ist das Neue der „Pure Player“ bei zehn Prozent Markanteil. Zehn Prozent Digitalkameras, zehn Prozent Internetbanking, Smartphones mit Internetflatrate, eBooks, Internetversicherungen, Elektro-Autos, Einzelhandel und so weiter.

Dann stirbt das Alte! Zehn Prozent Neues killt neunzig Prozent Altes.

Simple Mathematik. Rechnen Sie mit: Wenn das Neue die zehn Prozent überschritten hat, wächst es ja meist noch immer recht stark. Nicht mehr hundert oder fünfzig Prozent, aber noch um mehr als zehn Prozent pro Jahr. Dann hat das Neue in den nächsten Jahren mehr als elf, zwölf, dreizehn Prozent Anteil. Also bleibt für das Alte in jedem Jahr ein Prozent weniger übrig: 90, 89, 88, 87…Da aber der ganze Markt heute kaum wächst, schrumpft das Alte jedes Jahr ein bisschen bzw. es wächst auf jeden Fall langsamer als die etwa heute üblichen zwei Prozent Lohnsteigerungen.

Hilfe!!! Wissen Sie überhaupt, was es heißt, wenn der Umsatz eines Unternehmens über viele Jahre weniger steigt als um den allgemeinen Lohnsteigerungssatz? Das müssten Sie sich als Manager einmal geben! Es ist sehr bitter. Sie müssen sparen, Druck auf die Mitarbeiter machen und quälend lange die jeweils unrentabelsten Produkte und Services einstellen und Zweigstellen schließen. Es gibt keine Hoffnung, keine Zukunft und keine Perspektive. Sie haben in dieser Lage kaum noch Geld und Energie und bestimmt keine Lust, etwas ganz Neues anzufangen. Die Mitarbeiter zweifeln, die Presse berichtet nur Grau. Sie müssen aber unverdrossen bekannt geben, dass die Digitalisierung bald ihren Schwung verliert. „Leute, das Internet ist nur eine Mode. Es trifft uns wie ein plötzliches Gewitter, aber es hellt sich ganz sicher wieder auf.“ Sie müssen gegen das, was Ihre Gesichtszüge verraten, maskenhaft eine goldene Zukunft verheißen. Nach der Schließung jeder Filiale sind Sie nach Ihren eigenen Worten nun bestmöglich für die neue Schrumpfrunde aufgestellt.

Es ist wie das nahende Alter eines Menschen, der zu kränkeln beginnt, der seine Wehwehchen derzeit noch zählt und sie gesprächig in der Hoffnung einstiger Gesundung erwähnt. Er sitzt noch nicht zahnlos resigniert hinter dem Ofen.

Wenn das Neue die zehn Prozent überschreitet, zwingt es durch seine weiterhin zweistelligen Wachstumsraten das Alte zum Schrumpfen, was man „Konsolidierung“ oder „Transformation“ nennt. Das Alte stirbt langsam. Nicht über Nacht! Deshalb hat es Hoffnung bis zuletzt. Im Todeskampf ringt es mit Kostensenkungen und Beschwörungen, es fühlt sich ungerecht vom Pech im Markt verfolgt und leidet darunter, dass sich die jungen Leute nicht auf seine manchmal offenen Stellen bewerben. Das Alte wird mit alten Mitarbeitern alt, die gemeinsam das Neue immer noch nicht verstehen können.

Digitalisierung! Das ist heute – nach nun einer ganzen Generation oder mehr als einem Vierteljahrhundert – plötzlich der Hype der Stunde. Warum? Es riecht brenzlig, es klingelt im Ohr. Burnout und Tinnitus sind nun Dauergäste der Seele.

Weckschrei! Irrwitzig gellender Weckschrei! Durch Mark und Bein! Die Todesmarke von zehn Prozent ist in vielen Provinzen des Analogen Großreiches überschritten! Land unter! Das Neue flutet das Land, überall bauen die Anlogen noch emsig an Deichen und Stadtmauern, um das Neue fernzuhalten und abzuschrecken. Die Neuen aber kümmern sich nicht mehr um die Alten, sie sitzen auf Schiffen.

Ach: Wenn die große Flut kommt, baue Schiffe und nicht Deiche.
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47 Antworten

  1. Richtig ! Stellt die Alten zur 24/7-Rufbereitschaft auf die Deiche und Stadtmauern. Der Teufel Globalisierung wird sie mit Tönen aus großen Lautsprechern und anderen neuen Wartungsverträgen von den Fluten zerschmettern lassen.

  2. Uneingeschränkt Ja.Ich habe bis vor 5 Minuten noch eine Diskussion über IBM Watson Trend, die nette App „Outthink Holiday Stress“zum Weihnachtseinkauf 2016, geführt.Wenn Samsung, wie jetzt aktuell, einen Score von 100 hat, was bedeutet das denn für den Mitbewerber? Kennt der Mitbewerber die app überhaupt? Und das Samsung 3mal mehr von Männern, als von Frauen prominent besprochen wird, teilt mir die app ja auch noch mit..
    Vielleicht hat es sich doch noch nicht ganz herumgesprochen, dass der Computer keine Schreibmaschine ist & das Netz nicht nur ein Einkaufsnetz ist..Mit besten Grüßen

  3. Komisch, für mich klingt das so, als wäre es im letzten Jahrtausend geschrieben worden. Ich weiß noch, wie ich 96 mit Kumpels beim Bier zusammensaß und einer stark betonte: „Das Internet, das kommt!!“ Selbstverständlich hatte er recht. Damals hatte ich noch keinen Rechner zuhause und erst 98 kaufte ich mir einen – extra ohne Internet. Aber 2000 war ich dann „schon“ drin.

  4. Ich will nur mal anmerken, dass wir gerade ein großes Einzelhandelssterben haben. Verödete Innenstädte und tote Dorfzentren sind die Folgen.

    Man kann nicht mehr überall so rausgehen und bummeln und einfach so nette Leute treffen z. B. beim Einkaufen und anschließendem Imbiss. Das geht nur noch in Großstädten, und auch dort veröden die 1b-Lagen.

    Da macht es dann ja auch nichts mehr, wenn mal eben wie in Frankreich die Versammlungsfreiheit für drei Monate aufgehoben wird. Es hocken ja eh alle daheim am Computer oder stieren beim Rumlaufen stur ins Smartphone.

    Und Herr Zuckerberg geriert sich als Menschenfreund. Dabei will der bloß Steuern sparen.

  5. Ja, das alles wird und muß kommen, denn die Vorteile sind unübersehbar. Allerdings auch die Nachteile, gegen die etwas getan werden kann, leider aber nicht wirklich wird. Das fängt schon damit an, dass es problemlos möglich ist sich anonym im Netz als Terrorist, Menschenverachter, Hassprediger und dergleichen mehr zu tummeln. Die Cyberkriminalität wird geduldet, obwohl bekämpfbar. Die Datensicherheit könnte viel höher sein, wird aber sehr lax gehandhabt. Diese Laxheit wird nun sogar im aktuellen Bond thematisiert, aber natürlich mit dem Sieg der „Guten“, was denn sonst? Gleichwohl muss man Sorge haben, dass die kriminelle Energie es schafft die Hoheit zu erobern. Da ist noch nicht mal klar wer denn die Kriminellen sind? Manchmal verstecken sich dahinter die angebllich „Guten“!
    Aber zurück zu den Vorteilen. Ganz aktuell ist da z.B. das „Netzwerk für Flüchtlingshilfe“ von Ranga Yogeshwar zu nennen, das Möglichkeiten bietet, die in anderer Form nicht, oder nur sehr aufwändig realisierbar wäre. Da denkt doch tatsächlich jemand über Lösungen nach, anstatt dauern über Probleme herumzujammern, bravo!

  6. Ad „Und Herr Zuckerberg geriert sich als Menschenfreund. Dabei will der bloß Steuern sparen“:
    Wenn jemand Steuern spart möchte er mehr von seinem Einkommen behalten. Wenn jemand 99% seines Besitzes verschenkt, möchte er da auch sein Einkommen erhöhen?

      1. Es ist wirklich schade, dass erfolgreiche Menschen/Firmen immer wieder mit Neid verfolgt werden. Es wird niemand gezwungen Facebook zu verwenden.
        Auch auf Google wird immer wieder hingehackt, obwohl sie ihre hervorragende Searchengine mit sehr guten ergänzenden Searchvorschlaegen gratis zur Verfügung stellen. Ich sage Googlekritikern immer wieder: „If you don’t like what Google is doing with your data, there is an easy way out: just don’t use Google“.

        1. Den Zuckerberg versteht halt kaum jemand, ja nicht mal seine drei Stiftungszwecke werden verstanden.
          Aber schimpfen ist einfacher.
          Habe in letzter Zeit einige Suchmaschinen ausprobiert. Google ist wirklich die beste.
          Und zu den 10% mit 10% Wachstum: Wäre nett, wenn man das den Kids in der Volksschule beibringen könnte.

  7. Lieber Herr Dueck,

    da haben Sie mal wieder den Finger in eine blutende Wunde gesteckt.

    Ergänzend möchte ich anfügen, dass es bereits viel früher merkbarer wäre. Ich denke da an die berühmte Segmentierung der Menschen in Innovators, Early Adopters, Early Majority, usw. Für jede Innovation gilt, dass man diese zuerst adressiert und dann versucht über den Graben (da wo die Early Majority beginnt) zu springen. Dummerweise rennen die Menschen (aka Kunden) nicht mit Plaketten herum, die ihre Klassifizierung zeigt. Kurz: Wenn eine Innovation es schafft cool zu werden, also bei den Richtigen ankommt, dann wird es gefährlich. Acht Quatsch: zu spät! Schön beschrieben in „Tipping Point“ von Malcom Gladwell (http://www.amazon.de/dp/3442127807).

    Ob dies mit 10% Marktanteil zusammenfällt, weiss ich nicht. Könnte aber eine interessante Frage sein.

    Ein zweiter Gedanke. Vor einiger Zeit habe ich mal gelesen, dass in der Wissenschaft eine neue Theorie nicht zwingend eine alte ersetzt, dadurch das sie mehr überzeugt, sondern dass schlicht, die Vertreter der alten Theorie sterben. Sprich die Jungen wachsen mit der neuen Theorie auf: Es ist normal. Die Disruptiven Innovationen haben den gleichen Charakter.

    Letztens habe ich von unserem Babysitter (16 Jahre jung) die Kontaktdaten bekommen und habe verwundert festgestellt: keine E-Mail. Sie selber nutzt hauptsächlich Whatsup und auch – wenn es sein muss – SMS ;-).

    Vielen Dank für den erhellenden Artikel

    Marko Umek

    1. Gladwell kennen ja die alle auch, aber sie verstehen / spüren den Ernst nicht. Ich plakatiere deshalb einmal die 10%, die aber jeder SEHEN kann. Im Grunde ist eine Innovation „durch“, wenn der erste Kunde das Neue zu einem akzeptablen Preis kauft, ohne Rabatt, ohne Verschenken. Punkt! Meine Kinder sind schon alt (so um 30) und schicken auch nur Whatsapps! Dafür viele. Ist also besser so. Wir sind quasi immer verbunden.

  8. „Video Killed The Radio Star“ sangen schon 1979 The Buggles: http://www.myvideo.de/musik/the-buggles/video-killed-the-radio-star-video-m-8246769

    Eine frühe Analogie, die mir gerade in diesem Zusammenhang in den Sinn kam. Davor killte schon der Ottomotor die Dampfmaschine, die E-Mail das Fax, welches das Telex killte …

    Nun soll bei der Digitalisierung, die das Ganze auf die Spitze treibt und beschleunigt, niemand sagen, er hätte es nicht wissen können. (Nun sie natürlich trotzdem.)

  9. Ich muß nicht permanent erreichbar sein.
    Trotzdem gehöre ich zu den ersten internet Nutzern,
    zu den ersten mobil Nutzern (mit Freisprechanlage im Auto) in Deutschland.
    Und was alt ist, muß noch längst nicht out sein.
    Beispiele gibt es viele, einschließlich Menschen.
    Noch ein schöne Adventszeit.
    Michael Stelter

  10. Liebe Frau(?)isy,
    der EH stirbt ja nicht“gerade“. Dieser Prozess der Umgestaltung der EH Landschaft findet bereits seit Ende der 70er/A80er Jahre statt.
    Der Beginn des Prozesses war die „Erfindung“ der Aldi Brüder und der Tatsache, daß die extrem große Mehrheit aller Konsumenten irgendeinen dieser Discounter regelmäßig aufsucht. Insofern, war „der Aldi“ damals das Neue. Längst nicht mehr. Dieses Prinzip hat sich von Lebensmitteln auf andere Branchen übertragen.
    „Gerade“ jetzt entstehen, auch auf dem Land, wo ich z.B. lebe, kleine Läden, die durchaus überlebensfähig sind. Und immer mal wieder wird ein normaler Supermarkt modernisiert oder gar neu gebaut, der nicht Discounter ist. Und die Leute nutzen das, weil er z.B. wenigstens bis 20 Uhr geöffnet hat. Auch in der Provinz.
    Egal welche Art „Laden“ man betreibt. Wird er konsequent gut gemacht, nicht am Bedarf und Kundennutzen vorbei, dann läuft die Kiste. Gilt übrigens natürlich genauso für btb, Industrieprodukte und Dienstleister. Nicht nur Händler.

  11. Ich kann mich heute noch an den Satz erinnern:

    „Geh aus dem Internet, ich will telefonieren“

    Und heute telefoniere ich nur noch mit den jenigen, die den Satz sagten.

  12. Pingback: Dueck | Pearltrees
    1. Danke für den Pointer zu diesem Artikel. Für mich sind nicht Zuckerberg Aussagen zynisch, sondern der Artikel. Wie bei Bill Gates wird sich (hoffentlich) zeigen, was mit den Spenden (gutes) gemacht wird.

      1. Zuckerberg ist eben ein Ankündigungsweltmeister, der vom „tun Als Ob“ lebt. Zunächst mal kündigt er nur an, sonst nichts. Dafür erwartet er sich schon soviel Werbewirkung (ist ja schon eingetreten i.S. von Breaking News in den Medien), dass seine Geschäfte noch besser laufen.
        Im September hat er gegenüber Frau Merkel, anläßlich einer UN-Versammlung, versprochen, gegen anonyme Hetzer, Hassprediger und dergleichen, die sich ungehindert in Facebook ausbreiten können, vorzugehen. Passiert ist NICHTS. Erst seit die deutschen Facebook-Verantwortlichen wegen Volksverhetzung bei der Staatsanwaltschaft Hamburg angezeigt wurden, kommt Bewegung in die Geschichte. Also lieber Zuckerberg: Nun mal Butter bei die Fische! Taten statt Worte.

        1. Warum unterstellt man Philantropen a priori niedrige Beweggründe? Gut Ding braucht Weile. Können Sie sich an die Kritik an Bill Gates und Warren Buffet erinnern? Die beiden haben tolle Projekte auf die Beine gestellt. Warten sie einmal ein paar Jahre ab, und evaluieren Sie dann, ob Ihre Unterstellungen/Kritiken berechtigt waren.

          1. Diese Leute betreiben beinhart ihr Business, geben dann aber wieder der Menschheit zurück. Das eine kann man nicht mögen, das andere schon. Was uns vielleicht stört, ist, dass sie ambivalent erscheinen, beinhart und dann wieder guter Mensch. Leute! Business ist eben Business, man macht nicht mal so lau und gut viele zehn Milliarden. Wir müssen sie also eben ambivalent sehen. Das können offenbar nicht so arg viele? Hier? Menschen haben solche und solche Seiten. Man muss nicht alles schlecht an ihnen finden, wenn man ETWAS schlecht an Ihnen findet. Und hier scheinen mir die „Argumente“ etwas schlecht finden zu wollen. Hey, der Zuckerberg ist jung. Er bekommt ein Baby. Und nun hält er das Baby beim Nachtwachen im Arm und überlegt dabei arglistig, wie er der Welt mit dem Schenken seiner Aktien einen Tort antun kann, indem er Steuern hinterzieht? Solche Gedankengänge haben Leute von ihren Partnern in der Scheidungsphase.

        2. Es geht nicht darum, Mark Zuckerberg Böses zu unterstellen. Man mag von seinem Business und dessen Rechtmäßigkeit halten, was man will. Er mag mit seiner Spende vielleicht wirklich Gutes bewirken.
          Tatsache ist aber doch, dass über seine Spende nun er anstelle des Staates (d.h. der Allgemeinheit) bestimmt, wohin das Geld gelangt, das er zuvor durch seine Steuereinsparungen dem Staat (der Allgemeinheit) vorenthalten hat.

          1. Diesen Post habe ich beim Frühstück vorgelesen…sorry, in meinem Umfeld ist niemand, der daran glaubt, dass der Staat weiser mit dem Geld umgeht als zum Beispiel Bill Gates mit seinem. Gutes tun ist nur halb eine Sache des Geldes, eine mindestens so große andere Hälfte ist das Herzblut dafür. Ich habe zB gerade an die Neckargemünder Tafel gespendet, da weiß ich, dass sie dort Herzblut wärmt und vermehrt. Wenn ich mein Geld dagegen versteuere, also ans Finanzamt schicke, dann gießkannen sie es irgendwo hin, als Exzellenzinitiative oder zur Rettung von Bauruinen.

  13. Das Business ist beinhart, wohl wahr, nicht nur das Digitale.
    Business ist eben Business, man macht nicht mal so lau und gut viele zehn Milliarden. Aber an Beispielen wie Siemens, VW, Cum-Ex-Geschäften etc. sieht man auch, dass dieses Business nicht unbedingt philanthropisch geprägt ist. Siehe auch im Stichwort Wirtschaftskriminalität in Wikipedia.
    Natürlich ist es lobenswert, wenn Reiche und Superreiche solch gigantische Summen für das Gemeinwohl einsetzen wollen.
    Man kann seinen lt. Zuckerbergs Brief moralischen Verpflichtungen beispielsweise auch so gerecht werden:
    http://www.sueddeutsche.de/digital/apps-fuer-fluechtlinge-ploetzlich-philanthrop-1.2738021
    Es hat eben ein „Gschmäckle“ wenn Leute, die sonst beinhartes Business betreiben und dort selbst Volksverhetzungsklagen (siehe SZ 19.10.15) in Seelenruhe abwarten, sich im Bild mit Kindern und Tieren (=äußerst beliebte Werbeträger) als Menschenfreunde reinsten Wassers präsentieren. Wenn einer schon moralische Verpflichtunge als Motiv angibt, sollte er auch konsequent sein. Gerade bei der Digitalisierung – um die geht es ja im DD254 – ist ein Schaden schnell gigantisch groß. Todesmarke 10% rassistische und verhetzende Kommentare?? Wollen wir das??

    1. Ja, …. es werden aber andere mildere Dinge nie diskutiert: Er ist 32, so wie sonst Berufsanfänger nach Promotion, die sich einarbeiten. Er soll nun Staatsmann sein uns so. Dabei heiratet er und bekommt sein erstes Kind – und soll gleich alles so politisch super machen wie ein Dalai Lama. Geht doch nicht. Ich selber wäre mit meiner ganzen Lebenserfahrung wohl vollkommen überfordert, einen solchen Konzern zu leiten.
      Und schließlich: Was ist denn der technische Vorschlag, Hetze aus dem Netz zu nehmen? Geht das einfach so ohne Monate Vorlauf in der Text-Mining-Forschung? Gibt es Software dafür? Was ist Hetze in jedem Land? Wie definiert? In Russland oder den USA oder China? Was passiert, wenn man Leute irrtümlich löscht, die dann wieder shitstormen, dass Facebook die Presse- und Meinungsfreiheit schleift?

      Ich meine…: gehen Sie och einmal näher an die Probleme heran, dann sehen Sie doch, wie sie aussehen – menschlich und technisch und weltpolitisch.

  14. Gunter, danke für die sehr rationalen und realistischen Repliken. Schade, dass manchmal offensichtlich intelligente Leute sich zusehr von Neid und Missgunst leiten lassen und ‚das Gute‘ in verschiedenen Dingen einfach nicht sehen/akzeptieren wollen.
    Ich sehe auch manchmal bei meinen Freunden (unausgesprochen): Der junge Bursche ist Multimilliardär und ich bin es nicht. Der ist sicher unethisch, illegal und manchmal sogar kriminell zu seinem Geld gekommen. Ich arbeite nicht illegal/kriminell und daher ist es OK/verständlich, dass ich nicht Multimilliardär bin…

  15. Da wollen wir doch die Kirche mal im Dorf lassen. Was bringen uns denn die „milden Diskussionen“ über Berufsanfänger? Fahranfänger? Elternanfänger? Dafür gibt es sicher genügend Weichspülblogs im WEB.
    Ist es denn so unredlich zu verlangen, dass man ein Versprechen, das man, in diesem Fall Frau Merkel, gegeben hat auch einhält?
    Was Facebook bei Pornografie schafft, wird ja wohl bei anderen Straftatbeständen auch möglich sein?
    Definition: Der Begriff Volksverhetzung bezeichnet in Deutschland eine Straftat nach § 130 StGB.
    Wer in einem Land Geschäfte machen will, muss sich an die dort geltenden Gesetze halten, also in Deutschland an die hiesigen, nicht an russische oder chinesische etc. auch wenn es manchen schwerfällt.
    Herr Zuckerberg hat ja möglicherweise Mitarbeiter, die entsprechende Kenntnisse und Kompetenzen haben, um den Anforderungen gerecht zu werden.
    Auch VW steht in der Kritik, weil man sich nicht an Gesetze gehalten hat. Ich sehe da viel Analoges.
    Das hat mit Neid, Mißgunst oder Unterstellungen nichts zu tun, sondern eher mit Redlichkeit.

    1. Alles klar, Ihre Meinung. Technisch aber ist Bilderkennung auf „nackt“ total simpel gegen „Sinnerkennung“, am besten noch Durchlassen von Satire etc. Es ist leider sehr schwierig, das will ich sagen…

  16. Da stimme ich Ihnen zu. Es ist aber nicht so, dass Facebook, aber auch andere Unternehmen, sich aktiv um diese Dinge kümmert.
    Es geht darum, dass man keine Versprechen gibt, die man dann nicht einhält. Dafür sollte eine Persönlichkeit, wie Zuckerberg, in der Lage sein.
    Justizminister Maas hatte von dem Unternehmen gefordert, seine eigenen Gemeinschaftsstandards strikter durchzusetzen – also fremdenfeindliche und rassistische Äußerungen im Zweifel lieber zu löschen, als sie stehen zu lassen. So viel darf man doch erwarten, oder?
    Hierzu einige Quellen:
    http://www.heute.de/strafbare-hassparolen-auf-facebook-40066312.html
    http://www.welt.de/wirtschaft/webwelt/article149564444/Internetfirmen-sollen-aktiv-gegen-Hass-vorgehen.html
    http://www.zeit.de/digital/internet/2015-10/volksverhetzung-facebook-staatsanwaltschaft-ermittlungsverfahren.

    1. Woher wissen wir eigentlich, was Zuckerberg Merkel versprochen hat? Ich bin mir nicht mal sicher, ob Zuckerberg weiß/wusste, wer Markel überhaupt ist. Kann schon sein, dass er sich dachte: So eine nette Omi… nur etwas autoritär… 😉

        1. Sorry, aber im üblichen politischen Sprachgebrauch hat er nichts versprochen. Man spricht doch immer andere Leute (Diktatoren, Bosse zB) „mutig auf etwas an“, auf Menschenrechte, auf Frauenquote, auf Mitarbeitergesundheit…und wenn dann einer sagt: „Da müssen wir dran arbeiten“, heißt es irgendwie nur „okay, ich habe die Kritik gehört“. Wieso Sie da ein unbedingt zu haltendes Versprechen herauslesen, ist mir nicht klar. Außerdem steht da etwas von „bis Ende des Jahres“, dann müssen Sie doch eh mit Kritik warten. Und wenn in der Politik eine „Taskforce“ eingerichtet wird, signalisiert das, dass man formal das Mäntelchen der Aktivität angezogen hat, dass aber eigentlich nichts rauskommen soll. Es gibt doch einen Kommunikationscode!

          1. Die FAZ sieht es auch als Versprechen.
            http://www.faz.net/aktuell/politik/hass-bei-facebook-zuckerberg-gibt-merkel-ein-versprechen-13825895.html
            Die Welt ebenso
            http://www.welt.de/wirtschaft/webwelt/article146901141/Facebook-Chef-verspricht-Massnahmen-gegen-Hassparolen.html
            Ich denke, da kann man sich nun lange daran reiben. Warten wir also bis Ende des Jahres.
            Mir geht es doch nicht um Zuckerberg, er diente hier in der Diskussion lediglich als Beispiel, wie lax der Umgang mit Kriminellen in der Digitalisierung ist.
            Wie jeder sehen kann, sind nationale Regeln nicht in der Lage kriminelle Machenschaften im Internet wirksam zu unterbinden. Hier besteht doch Handlungsbedarf, der m.E. nur international erfolgen kann.
            Neben den Segnungen des Internets dürfen eben die Risiken nicht übersehen werden, schon gar nicht klein geredet, meine ich.

  17. Wie schon Prof. Dueck darauf hingewiesen hat, ist es nicht so einfach mit Programmcode Hetzpostings herauszufinden. Watson könnte einmal hilfreich dabei sein. Soll Zuckerberg jetzt tausende Leute einstellen, die Millionen tägliche Postings in zig Sprachen auf Hasspostings durchwassern? Ich nehme an, dass man derzeit noch auf das ’not appropriate‘ Flagging der Facebook Community angewiesen ist.

    1. Haben Sie vielleicht den Absatz Hass und Hetze: Bedrohte Politiker gelesen in
      http://www.heute.de/strafbare-hassparolen-auf-facebook-40066312.html
      Als nicht Betroffener tun Sie sich da leicht!
      Facebook und andere Serverbetreiber können einiges dazu beitragen, die Klarnamen der Hasser und Hetzer zu ermitteln, damit man dagegen vorgehen kann. Dazu braucht es nicht Tausende von Ermittlern. Es geht doch darum, das Mögliche zu tun, nicht es zu unterlassen.
      Es wundert mich schon auf welche leichte Schulter Sie das nehmen. Ein wenig Empathie, auch für Politiker, wäre schon hilfreich.

      1. Weil es doch auch kein wirklich wichtiges Thema ist.
        Und wenn sie es vertiefend angehen wollen, landen sie sehr schnell in einem Dilemma: Ordnung vs. Freiheit.

  18. Ich nehme es nicht auf die leichte Schulter und verabscheute auch Hasspostings. Ich habe nur geschrieben, dass es für Facebook schwierig ist Hasstiraden selbst zu erkennen und dass sie von der Community abhängig sind (wird übrigens auch in dem von Ihnen genannten Artikel beschrieben).

  19. Der Antagonismus Analog-Digital ist irreführend. Es gibt Firmen, die seit den sechziger Jahren die Digitalisierung anführen und jetzt mit den gleichen Problemen kämpfen: sinkende Umsätze, fehlende Modernisierung, konservative Mitarbeiter, starre Prozesse. Digital ist da nicht die Lösung. Auch das Internet ist es nicht. Es geht darum, flexibel, schnell und kundenorientiert zu sein. Es geht darum, etwas anzubieten, daß die Kunden wollen, etwas, das sie der Firma im besten Fall aus den Händen reißen. Das können handbemalte Holzbretter sein. Auch die 10 Prozent-Regel hilft nicht viel. Die Frage ist, ob das Neue eine nachhaltige Verbesserung bringt. Ob es einen neuen Wert gegenüber dem alten bringt. Falls nicht werden aus 10 Prozent erst 20 und über Nacht 2 Prozent.
    Benzinautos hatten einen wirtschaftlichen Vorteil gegenüber Pferdekutschen. Amazon hat einen Vorteil gegenüber dem gedruckten Otto-Katalog. Elektroautos, Waschmaschinen mit Internetanschluß oder Webterminals setzen sich hingegen nicht durch. Weil Kosten und Nutzen nicht im Verhältnis stehen. Und weil sie keinen Komfortgewinn versprechen.

  20. „Neue Technologie x, neues Verfahren y, neue Vorgehensweise z = zu teuer, zu unsicher etc.“: Das sagen jene (Unternehmer, abhängig Beschäftigten, gewerkschaftlich Organisierten etc.), die im Status Quo die grössten Vorteile haben.

    Auf die Vertriebswelt übertragen: Bei IBM waren es warscheinlich die Vertriebler, die mehr als andere oder am meisten vom Status Quo profitiert haben. Stichwort: Berechenbarer Bonus in % der Marge von IBM-Cash Cow A oder B oder C.

    Oder wie sehen Sie es, Herr Dueck? Wer hat bei IBM von den vorhandenen Status Quo-Produkten/Systemen am meisten profitiert?

    1. Glaube ich nicht so richtig…der Vertrieb bekam ja auch nie mehr so gut erfüllbare Quoten, was einer Gehaltssenkung gleichkommt. Einfach die Latte höher legen!
      Ich denke, es liegt daran, dass man für wirklich Neues einen langen Atem braucht und echt üben muss, für sehr lange Zeit. Dafür hat eine Org keine Geduld, sie vergisst, dass sie ja auch mal nach langer Übung entstanden ist (Autos, Kraftwerke, Chemieanlagen sind ja auch erst einmal „entstanden“). Diese Neuanfangen ist irgendwie vergessen worden. Außerdem ist das Neue oft gegen die „eigene DNA“, wie die BWLer sagen. IBM hätte ja im Prinzip schon seit sehr langer Zeit üben können, Server für 100 Dollar zu produzieren, damit sie zu Clouds verbaut werden können. IBM lebte aber davon immer hochwertigere Server zu bauen… Es sind nicht so sehr profitierende Gruppen, sonst könnte man das Problem noch lösen, man sieht es ja wenigstens… aber das mit der Geduld und der anderen DNA ist fast unsichtbar. Ungeduld gilt als Tugend, Kulturstützen ist Pflicht!

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