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Mensch kommt von innen (Daily Dueck 192, Mai 2013)

 

Wettbewerb ist das Zauberwort der neueren Zeit. Alles muss dem „harten“ Wettbewerb „ausgesetzt“ werden, der natürlichen Darwin-Auslese – dadurch wird überhaupt alles „da draußen“ besser. Statt im eigenen Saft zu schmoren, soll man im freien Spiel der Marktkräfte kämpfen und tüchtig werden. Durchsetzung im Verdrängungswettbewerb ist die Methode der Wahl. Irgendwie stimmt das alles ja auch, aber ich werfe ein: Hallo? Es gibt doch auch Wetteifer?

 

Den Begriff des Wettbewerbs kennen Sie wahrscheinlich ganz gut – er wird Ihnen ja täglich um die Ohren gehauen. Wir werden immerfort bewusst psychologisch invasiv verglichen und gemessen. Sind wir besser oder schlechter als andere? Es soll uns aufregen und Stress machen. Liegen wir gar unter dem Durchschnitt und müssen gegen den Abstieg kämpfen? Wie im Fußball muss uns das System der „Incentives“ so sehr unter Druck setzen, dass es jede Minute in unserem Arbeitsleben „um etwas geht“ – nichts darf so sein wie ein Bundesligaspiel am letzten Spieltag, an dem der Tabellenzehnte und der Elfte gegeneinander „um nichts mehr spielen“. Wir sollen immerfort brennen müssen – bis wir ausgebrannt sind. Wettbewerb ist wie Leistungszwang!

 

Was meine ich mit Wetteifer? Ich verbinde damit innere Leistungsfreude. Verwirklichungseifer, oder Selbstwirksamkeitseifer. Im Duden wird unter Wetteifer das Bestreben verstanden, andere zu übertreffen. Kann ja auch sein, aber es geht hauptsächlich darum, sich selbst zu übertreffen, denke ich, und dafür Eifer zu zeigen. 10.000 Stunden soll man gerne üben wollen, um freudig Meister zu werden! In der Wikipedia gibt es keinen Haupteintrag für „Wetteifer“, ich habe „wetteifer wiki“ gegoogelt und fand sofort den entsprechenden Eintrag im Yoga-Wiki, speziell die Worte von Swami Sivananda zu „Wetteifer“.

 

Genauso meine ich das! Ich möchte in dem Begriff Wetteifer das Bestreben sehen, sich selbst zu erhöhen, selbst herausragen zu wollen, großen Ideenentwürfen und Vorbildern zu folgen, das Beste zu tun, was von mir getan werden kann. „Der Mensch erhöhe sich selbst zu Lobenswertem.“ Es geht dabei nicht um Konkurrenzkampf und Rivalität, nicht um Vergleichsneid, triumphalen Narzissmus oder destruktive Loser-Verhöhnung.

 

Wetteifer speist sich aus innerer Herzblutenergie, Wettbewerb aber vom Druck aus allen Richtungen – da schielen wir auf andere, fühlen den Schmerz des Getretenen und fürchten das Ausgestoßenwerden. Viele zitieren meinen Spruch „Innovation ist wie Wollen, Wandel wie Müssen“ im Internet – der ist auch hier analog richtig: „Wetteifer ist wie freudiges Wollen, Wettkampf wie getriebenes Müssen.“ Besonders in großen Firmen hören wir oft: „Wir sind Getriebene der Geschäftsprozesse, wir arbeiten Event getrieben, um zu bestimmten Zeitpunkten die geforderten Zahlen präsentieren zu können. Es herrscht Zahlenunterschreitungsangst.“

 

Wir lesen Bücher über Burnout (nach Leistungszwang) und Boreout (Leiden unter der grundsätzlichen Unmöglichkeit, etwas Wirkliches zu leisten). Wir zanken um den stressenden Zwang zur ständigen Erreichbarkeit, wir fluchen über die Beschleunigung der Welt im Arbeitsleben. Wir sind zerfressen von Vergleichssucht, von Rankings und eigenen erlebten Erniedrigungen. Wir schauen uns Demütigungen in den Castingshows an, die viel schlimmer sind als die selbst erfahrenen. Wir weiden uns am noch stärkeren Leiden anderer – so lange sind wir nicht der schlimmste Loser, wenn es noch unfassbar Unfähige gibt.

Warum tun wir das?

Menschen zu lehren, sich aus sich heraus zu Lobenswertem zu erhöhen, ist schwer, braucht Liebe und Nachsicht, braucht Geduld, die Begabungen und damit die energetischen Goldadern in den uns anvertrauten Menschen finden und erschließen zu helfen.

Draufhauen, mit Drohgebärde das Lehrernotenbuch zu zücken oder mild sadistisch Arbeitsplatzverschiebungen anzudeuten können viel mehr Menschen, es ist leichter! Und wir stehen vor dem fast unlösbaren Problem, dass es viel weniger Menschen mit Gefühl für intrinsischen Wetteifer gibt als wir Führungspositionen zu besetzen haben. Die Managementtalente unserer Zeit studieren von Menschen ganz abstrahierende BWL, also dann doch fast nur das Antreiben und Zahlendiktat. Das Management als Ganzes hat uns fast alle dadurch vergiftet, indem es damit Erfolg hatte, dass wir die Kampfvorstellung des Wettbewerbs im Markt internalisiert haben.

Nun bauen wir die Universitäten zu Credit-Point-Erringungsarenen um, die Schulen werden zum Kampfplatz um die Zehntel hinter der Eins, Komma. Es geht, so sagt man heute, um die besten Startplätze wie bei der Formel Eins. Wer in hinteren Startreihen losfahren muss, hat kaum noch Chancen.

 

Unsere Welt wird von überwiegend sehr durchschnittlichen Führungskräften über Leistungszwang organisiert, auch wenn jeder weiß, dass die großen Meister immer Leistungsfreude ausstrahlen. Lehrer hoffen inständig, ein paar leistungsfreudige Schüler zu haben. Professoren beten, dass wenigstens einige Studenten sich leidenschaftlich interessieren. „Der Wetteifer folgt der Sehnsucht wie ein Schatten.“ [umformuliert von mir aus dem zitieren Yoga-Wiki] Aber die Gesamtorganisation oder die Massenlogistik der leistungszwingenden Durchschnittlichkeit arbeitet vor allem über Druck und nochmals Druck. Keine Sehnsucht.

 

Management lässt das Hinterteil glühen, nicht das Herz.

Saint-Exupéry: „Der Mensch sieht nur mit dem Herzen gut.“ Fein, aber:

Leistungssystem: „Der Mensch…“

 

Das ist die Ursache, die unsere Welt aushöhlt. „Schneller, billiger, mehr!“ Daher haben wir die große Beschleunigung, den Kampf, die oft würdelose Arbeit und die Erniedrigung. Daher haben wir Bologna und G8, Impact Points und Rankings. Das Management ist dabei, uns um den Menschen an sich zu bringen.

 

Wie konnte das so kommen? Wir konnten Manager das schaffen? Wie konnte man uns von der inneren Leistungsfreude zu Leistungszwang, also auf die dunkle Außenseite des Menschen bringen?

Ich persönlich glaube ja, dass es die im Amerikanischen beherrschende Idee des Behaviorismus war, die uns zu zerstören begann. Diese von Watson begründete psychologische Anschauung des Menschen behauptet, Menschen mit geeigneten Incentive-Methoden nach Belieben zu beliebigen Talenten (!) und Verhaltensweisen führen zu können. Mit Stimulus-Response-Modellen könne jedes Baby zu jedem vorgegebenen Menschen (!) erzogen werden. Alles ist Methode von außen. Der Erfolg ist sicher. Die Methoden dürfen nicht durch Liebe, Mütter, Vertrauen und dergleichen „Innerliches“ gestört und in ihrer Wirksamkeit verfälscht werden… Watson selbst schreibt (zitiert in der Wikipedia):

 

„Give me a dozen healthy infants, well-formed, and my own specified world to bring them up in and I’ll guarantee to take any one at random and train him to become any type of specialist I might select – doctor, lawyer, artist, merchant-chief and, yes, even beggar-man and thief, regardless of his talents, penchants, tendencies, abilities, vocations, and race of his ancestors. I am going beyond my facts and I admit it, but so have the advocates of the contrary and they have been doing it for many thousands of years.“

 

Das Zitat habe ich jetzt in Englisch gelassen, es ist ja ein Dokument der Psychologie-Geschichte. Wenn Sie noch mehr Frösteln brauchen (und auch sonst), bitte ich Sie den halbseitigen Wikipedia-Eintrag zu Watson zu lesen:

Deutscher Wikipedia-Eintrag über J.B. Watson (lesen Sie den amerikanischen vielleicht auch gleich)

 

Wussten Sie das alles? Sie selbst sind wahrschein kein Behaviorist, aber sie merken doch, wie Worte wie Anreize, Anreizsysteme, Incentives, Verkaufsquoten etc. durch unser Leben wirbeln. Wenn Manager oder Politiker etwas wollen, „setzen sie Anreize“ oder entwerfen „Belohnungsschemata“. Sie definieren ein Ziel und organisieren das Leistungsmessern und anhand der Messzahlen die Anreize und Incentives sowie die Kontrollen und Strafen. Dieses Vorgehen (Ziel, Messen, Anreize, Kontrolle) heißt heute „Etablieren eines Managementsystems“ oder oben im Zitat „my own specified world“. Das Management und die Politik glauben, uns damit zu allem zwingen oder manipulieren zu können, was immer sie wollen. Bingo! Das hat Watson bei Babys behauptet, und da wurde es (noch) voll Abscheu von uns Menschen zurückgewiesen.

 

Aber in Politik und Management ist diese Denkweise und Methodik des Behaviorismus inzwischen „method of choice.“ Und über Bologna, Gymnasium-G8 und Vokabeltests im Kindergarten kommt es jetzt überall so? Die Regeln des Marktes und der Anreizsysteme bilden die Leistungszwangshamsterräder.

 

Rette uns, wer kann.

Hören Sie:

 

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26 Antworten

  1. Hallo Gunter!

    Behaviorismus taugt prima zur Tierdressur (Skinners tanzende Tauben), etwas Höheres kann man damit aber nicht erreichen. Bei den Psychologen hat sich diese Erkenntnis schon vor Jahrzehnten durchgesetzt. Nur anscheinend im Management noch nicht.

    Man muss Watsons ersten Satz nur halb lesen, um zu sehen, dass er das Wesen des Menschen überhaupt nicht versteht und ein mangelhaftes Moralverständnis hat. „Gebt mir ein Dutzend gesunde Kleinkinder…“
    Menschenmaterial, das er nach seinen Ideen umformen will!

    Immer ist es der Zugriff auf die Kleinsten, Wehrlosen und Schutzbedürftigen, den die Ideologen haben wollen. Notfalls nimmt man halt Stammzellen. Und wenn die nicht so wollen, fälscht man eben seine Ergebnisse.

    Aber sorge Dich nicht, es gibt Gegenbewegungen. Eltern, die ihre Kinder nicht einfach der Wissenschaft oder dem Staat überlassen. Nachbarn und Freude, die sich gegenseitig helfen, Graswurzelbewegungen, soziale Netzwerke. Wenn die Wirtschaft es zu toll treibt, gibt es Widerstand aus irgend einer Richtung, an die keiner denkt.

    Liebe Grüße
    Deine Isabel.

  2. Lieber Herr Dueck,die Begrifflichkeit Wett-eifern gefällt mir ausgezeichnet, auch als alter Leistungssportler fühle ich mich da wieder mit mir eins.
    Freue mich gleich auf das nachhmittägliche Plaudern darüber mit meiner Tochter (16) und bin gespannt wie anschlussfähig Begriff und Thema morgen bei meinem Kunden in der Blau-Weissen Arbeitskultur in MUC ist.

    Übrigens wie steht’s mit „Enkelfähigkeit“?
    Als Perspektive und Vision „unseres“ IWE (INSTITUT FÜR WELTERNÄHRUNG – WORLD FOOD INSTITUTE e.V.
    Mail: info@institut-fuer-welternaehrung.org
    Home: http://www.institut-fuer-welternaehrung.org)

    Maigrüsse aus dem Bergischen, Heinrich Dürscheid

  3. Lieber Herr Dück,
    ich bin ganz Ihrer Meinung, wenn es darum geht, dass Menschen mehr Spass an dem haben sollten was sie tun, anstatt nur unter Druck zu stehen. Am Ende ist es aber je nach Typ Mensch wahrscheinlich eine Mischung aus beidem, die ein gutes Ergebnis bringt.

    Man sollte aber nicht vergessen, dass es auch ohne Unternehmen permanent Wettbewerb in der menschlichen Gesellschaft gibt und jeder Einzelne mehr oder weniger gut damit zurecht kommt. Das hängt auch vom Typ ab.

    Der Behavioursimus im großen Stil funktioniert ja offensichtlich nicht sehr gut, wenn wir ihn mal mit Anreizsystemen gleichsetzen. Meiner Meinung nach deswegen, weil die Anreizsysteme nie die Komplexität des Systems erfassen, sondern immer nur an einzelnen Schrauben drehen. Vielleicht sollte man da mal ansetzen?

    1. Man lässt aber nicht von den Anreizsystemen, weil sie einfach sind. Wenn man sie kritisiert, werden sie schwach verändert. „Alles gut!“ Dann muss man (so die Zeremonie) dem „neuen System“ eine Chance geben und warten, bis es wieder nicht funktioniert. Nach neuer Kritik wieder ein Adjustment… Man glaubt an diese Anreizsysteme so wie ein Wissenschaftler, der zwar weiß, dass noch nicht alles erforscht ist, der aber glaubt, man werde dahin kommen. So sagen die Anreizer: „Die Anreize sind noch nicht optimal gesetzt, aber wir kommen dahin.“

  4. Interessanter Artikel, der zum assoziieren einlädt! Eine „Wette“ zielt auf das Eintreten einer möglichen „noch-nicht“-Zukunft. Bestenfalls entdecken systemische Beobachter einige „Muster“ bei Einzelnen und den Vielen die „verbinden“.

    Interessant ist es schon, dass sobald jemand oder einige meinen das „Muster aller Muster“ entdeckt zu haben, welches die Zukunft und somit auch den Menschen berechenbar und vorhersagbar macht, sie anfangen zu „eifern“.

    Wer meint Komplexität so reduzieren zu können, dass ihm Mechanismen zur Verfügung stünden, um todsichere „Wetten“ auf die „Zukunft“ Einzelner oder der Vielen abgeben zu können, hat bestenfalls vergessen, was er mal wusste: Sein Wissen vom Nicht-Wissen.

    Schlimmstenfalls erzeugt er mit ausreichender Resonanz eine Ideologie. Die bietet, bis das ausgeblendete Unverhersagbare eintritt, für einige Zeit Brot und ausreichend unterhaltsamen Zeitvertreib unter eifernden Gesinnungsgenossen.
    Das jemand nicht sieht, dass er nicht sieht, mag allein gesehen noch nicht schlimm und wenig Schaden anrichten, solange er damit allein vor sich hinwurschtelt.

    Anders sieht es bei den Folgen, von sich aufschaukelndem „Eifer“ aus. Die Verträglichkeit der Folgen für die Umwelt, hängt maßgebend vom Ethos der Eiferer ab!

    Je größer der aufs „Ganze“ der Zukunft zielende „Wett-Eifer“ (welch schönes Wort), desto größer die „Eifersucht“. Und wer kennt den Spruch nicht: „Eifersucht ist eine Leidenschaft, die mit Eifer sucht, was (zukünftige) Leiden schafft.“

  5. Toller Artikel – wertvolle Impulse. Ich finde auch, wir sollten unser derzeitiges schnelllebiges Dasein und die Auswirkungen viel mehr infrage stellen.

    So zu denken, wir könnten aus Menschen alles machen, was wir wollen, und über sie Macht und Kontrolle zu haben, ist entwicklungshemmend und menschenfeindlich. Das kommt vom Machbarkeitswahn. Menschliche und natürliche Grenzen werden häufig einfach ignoriert.

    Wenn alle so denken und leben würden, dann hätten wir bald kein wirkliches LEBEN mehr. Dann sind wir wie Maschinen, die nur noch leisten und funktionieren. Und wenn wir dann mal nicht mehr richtig funktionieren, dann müssen wir eben zum Arzt oder Psycho-Experten. Die machen uns dann irgendwie wieder funktionsfähig oder auch nicht. Wollen wir das wirklich?

    Leben bedeutet aber auch, Vielseitigkeit und Unkontrollierbares zu ertragen. Absolute Kontrolle zu haben ist eine Utopie. Oder kann irgendjemand beispielsweise das Wetter kontrollieren oder die innersten Gedanken eines Menschen?

    Zum Glück ist es so. Denn jeder Mensch hat wertvolle Potenziale in sich. Da wäre es doch schade, wenn wir der freien Entwicklung keine Chance gäben und schon im Vorfeld alles steuern wollen. Unvorhersehbares macht doch das Leben spannend und schafft viel Kreatives und Neues. Ich glaube, davon gebrauchen wir derzeit eine ganze Menge. Das geht aber nur ohne Kontrolle und Machtausübung.

  6. Wie Sie wissen, hat Pawlow die ersten großen Experimente gemacht mit den Hunden, wo er den abhängigen Reflex entdeckt hat.
    Seine Experimente sind so wunderbar beschrieben von ihm, er hat seine Experimentalbücher so genau geschrieben, dass seine Experimente immer wieder wiederholt werden können. Also: Da ist der Hund, den hat er auf den Tisch gestellt, da ist das große Fenster, da das kleine Fenster, der Assistent ist gekommen mit seinem weißen Kittel und hat dem Hund das Fleisch gezeigt; der Hund hat das Fleisch gesehen, und natürlich ist ihm das Wasser im Mund zusammengelaufen, in der Fachsprache heißt das: er hat >salviert<, und kaum hat der Hund salviert, so hat man ihm das Stück Fleisch gegeben und eine Glocke geläutet. Das geht so eine Woche, wird so gemacht und wiederholt, zum Schluss kommt der Assistent herein, zeigt ihm gar kein Fleisch, klingelt die Glocke, und der Hund salviert, das heißt, der glaubt, jetzt kommt das Fleisch.
    Gut, das hat er veröffentlicht, und dafür hat Pawlow den Nobelpreis bekommen.
    Ein polnischer Experimentalpsychologe hat gesagt, der Pawlow hat alles so wunderbar aufgeschrieben, wir können dieses Experiment jetzt wiederholen.
    So: Hund, großes Fenster hier, kleines Fenster da, Assistent kommt herein mit Fleisch, läutet die Glocke, das hat alles wunderbar funktioniert.
    Und jetzt kommt das experimentum crucis: wo der Assistent reinkommt und nur mit der Glocke läutet. Konorski, der Experimentator, hat heimlich, ohne dem Assistenten etwas zu sagen, den Klöppel aus der Glocke genommen. Also, der Assistent kommt rein, schwingt die Glocke und: stumm. Der Hund salviert!
    Also hat Konorski gesagt: Dieses Klingeln war ein Reiz für Pawlow, und nicht für den Hund! Und leider muss ich Ihnen sagen: Konorski hat dafür nicht den Nobelpreis bekommen! (Heinz von Foerster)

  7. Lieber Herr Dueck,

    Danke für die Gedanken. Ich gebe Ihnen Recht: Leider noch immer weit verbreiteter „Irrglaube“.

    Dass es sich bei den einfachen Incentivierungsmechanismen im Management um überkommenes Wissen handelt, zeigt auch das unterhaltsame animierten Video eines Vortrags von Dan Pink „The surprising truth about what motivates us!“.

    http://www.youtube.com/watch?v=u6XAPnuFjJc

    Nur ein Gedanke dazu: Wieso gibt es eigentlich Wikipedia und Linux – wo doch keiner da ist, der die Tätigkeit dafür incentiviert?

    Ich denke, Unternehmen, die an veralteten Mechanismen fest halten, werden es zukünftig im Wettbewerb, um den „War for Talent“ schwer haben.

    Viele Grüße,
    Saskia Dörr
    WiseWay – berät Unternehmen

  8. Lieber Herr Dueck,

    da gehe ich mit.

    Wie sehen Sie Führungs-Systeme, die allein durch die Mitarbeiter und ihr Feedback auf ihre Ziele funktionieren?

    Keiner steht mehr da mit der Stoppuhr, sondern der Mitarbeiter sagt selbst: „Letzten Monat hat der Vertriebsprozess zu 100% geklappt.“ oder „Letzten Monat hat der Logistikprozess xy nicht geklappt, weil die Handscanner nicht funktioniert haben.“ Alles nur Beispiele, aber eben vom Menschen ausgehend. Wenn was nicht klappt, wird nach Lösungen gesucht. Eigentlich einfach.

    Mit den besten Grüßen
    Stefan Wilhelm Fischer

  9. „Wenn Du ein Schiff bauen willst, dann trommle nicht Männer zusammen um Holz zu beschaffen, Aufgaben zu vergeben und die Arbeit einzuteilen, sondern lehre die Männer die Sehnsucht nach dem weiten, endlosen Meer.“
    Antoine de Saint-Exupery (Werk: Die Stadt in der Wüste / Citadelle)

  10. Lieber Gunter

    Es sind nicht allein behavioristisch gestützte Manipulationen, die es Menschen schwermachen, ihr Potential voll zu entfalten. Mindestens ebenso sehr tut dies die „lautlose Disziplinierung“ durch die Medien. (Vgl. Thomas Mathiesen)

    Frühlingsgrüße aus dem Norden
    Judith

    1. Liebe Judith, kenn ich nicht – frankly, kann man auch nicht gut googlen, weil das „schon 25 Jahre her“ ist…Die Medien sind ja jetzt im Umbruch und ich habe ohne weitere Erklärung von Dir das Gefühl, dass sich ja in den Medien und der Politik (kaum noch existent) etwas verändert hat… was sich verschlimmert hat, ist eben diese behavioristische „Denkhaltung“ – ich würde sagen, man hat wegen der Einführung der Computer und der nötigen Programmierung eine fatale Vorliebe für das Wenn-Dann-Kausalitätsdenken entwickelt, wovon Stimulus-Response nur ein Teil ist. LG Gunter

      1. Was mich im Buch von Mathiesen ganz besonders beeindruckt, ist das, was er „Pulverisierung“ nennt – das gewollte Auseinanderreissen von öffentlichkeitsrelevanten Zusammenhängen/Ereignissen in Informationsbruchstücke und -stückchen zwecks Verschleierung und Umwertung unliebsamer Tatsachen.

        Ansonsten kann ich Dir natürlich nur zustimmen. 🙂

  11. WOW!

    Ein Psycho als Psychologe… wer hätte das gedacht. Es ist schon erschreckend, mit was manche Leute zu Ruhm und Ehre kommen (wollten).

    Es wäre interessant zu sehen, ob und wie weit John B. Watson mit der Theorie heute gekommen wäre?

    Als Ex-IBM Mitarbeiter ist mir das Reiz-Thema Incentives durchaus ein Begriff. Ein Schelm wer dabei eine Beziehung zwischen Watson und Watson herstellt. (Ja, das ist vermutlich ein Insider, aber trotzdem.)

  12. Veehrter Herr Dueck,
    Danke für die schöne begriffliche Differenzierung, den ‚Wetteifer‘ und die pointierte Kritik. Bleibt die Frage, warum sich die behaviouristische Ideologie so umfasssend ausbreitet und wie hier Innovation in der Entwicklung kollektiver Menschenbilder entsteht (Ich denke hier liefert das von Ihnen bereits bemühte Modell des spiral dynamics gute Hinweise). Mich beschäftigt sehr, ob sich das Mainstream-System selbst durch immer negativere Konsequenzen für seine Mitspieler ad absurdum führen muss, mit viel Leid als Nebeneffekt – oder ob wir Menschen mittlerweile durch Antizipation des „Stimmigeren“ einen neuen Entwicklungsweg gehen.
    …und wie lädt das“Wahre“, das „Richtige“ ein sich etwas „Natürlichem“ hinzugeben – nämlich Evolution?

  13. Behaviorismus war ein tolles neues Gedankenmodell. Es funktioniert auch gut. Allerdings muss man auf die Metaebene gehen und das individuell. Was braucht das Individuum, wofür ist es zu begeistern.
    Nicht aus jedem Lebewesen kann man alles machen, die Grenzen muss man schon auch erkennen.
    Interessant, dass Behaviorismus einen besseren Menschen schaffen wollte. Utopismus ist halt eine starke Droge für den, der ihn einführen möchte.
    Und die Wahrheit steckt selten in den Extremen.

  14. Guten Abend Herr Dueck,

    warum lassen wir das mit uns machen, warum verhalten wir uns wie der Hase, welcher hinter der Karotte her ist?

    Jemand schrieb mal? Wir kaufen Dinge, die wir nicht brauchen,um Menschen zu beeindrucken, die wir nicht mögen, von Geld, das wir nicht haben. Ich ergänze: und arbeiten etwas, was uns selten ausfuellt, um das ganze am Läufen zu halten.

    Ein bedingungsloses Grundeinkommen würde unsere Gesellschaft grundlegend veränerdern. Doch wir haben nicht den Mut es zu wagen, wir haben Angst vor den neuen Wegen, den unbekannten Wegen (auch wenn der alte eine Sackgasse ist).

    Mit besten Gruessen

    Thomas Rehehäuser

    1. Hallo Herr Rehehäuser,

      das Grundeinkommen wird uns schon verändern, aber wie? Ich habe dazu etwas auf der re:publica 2013 gesagt, gesehen auf YouTube? Da ist eine Folie mit Eigenschaften einer von mir gewünschten „Sinn-sozialen Kompetenzgesellschaft“ – in diesem Package geht auch Grundeinkommen, aber nicht jetzt in dem heutigen Kontext. Und das allein eine Einführung eines Grundeinkommens auf dieses Ziel hin führt, glaube ich nie. Es geht nicht darum, an einer Schraube zu drehen, nicht am Grundeinkommen oder am Diskontsatz. Wir brauchen eine gemeinsame Vorstellung unserer Kultur, vor allem auch einer unseren Aufgaben, die wir darin übernehmen sollen – das tut keiner, die „Pflichten“ zu nennen, es werden nur Rechte versprochen.

      Gruß GD

  15. Meiner Meinung nach ist das Managementsystem nur ein Symptom für den unaufhaltsamen Siegeszug der Linken Gehirnhälfte.
    Evolutionsgetrieben hat die Linke Gehirnhälfte dem Homo Sapiens einen Selektionsvorteil gegenüber allen anderen Hominiden verschafft. Bereits jetzt sind mehr als die Hälfte der Menschheit Richtige Menschen (bevorzugen die Linke Gehirnhälfte). Mit ihrem Streben nach Ordnung, Messen, Katalogisieren, Anreiz, Kontrolle, Systematisieren, reglementieren, etc, etc. unterdrücken sie die Anderen (Wahre und Natürliche Menschen).
    Meiner Meinung nach ist der Prozess nicht mehr umkehrbar, da die Richtigen Menschen bereits die Mehrheit sind. Das wird unweigerlich in eine Herrschaft der Computer (ultimativer Richtiger Mensch / Manager) münden.
    Das muss nicht unbedingt schlecht sein. Ein Computer ist wenigstens neutral, emotionslos und unparteiisch. Aufgrund der Messergebnisse könnte er feststellen, welche Arbeitsbedingungen für welchen Typ Mensch ideal sind und endlich zu einer Typ gerechten Haltung des Menschen führen.

  16. Frank Schirrmacher vertritt in seinem Buch „Ego“ eine ähnliche These, nämlich dass sich in der Wirtschaft nicht-kooperative spieltheoretische Modelle durchsetzen, weil man es vermehrt mit anonymen Einmalinteraktionen zu tun hat (etwa Handel im Nanosekundentakt oder begrenzte Arbeitsverhältnisse), für die Nicht-Kooperation und damit letzendlich Kampf die mathematisch optimale Lösung ist. Dies wird, so Schirrmacher, durch Big Data in einem ungeheuren Ausmaß zu einer Ökonomisierung aller Lebensbereiche führen.
    Mit Big Data möchte man das Verhalten von Konsumenten (Menschen) vorhersagen und durch das Setzen von incentives manipuliert man sie, wie Sie angedeutet haben, in ein Optimierungsverhalten hinein, durch das sie schließlich wirklich vorhersagbar werden. So wiederum rechtfertigt sich das ganze System.

    Zum Beispiel Armbänder von der Krankenkasse, welche die Bewegung aufzeichnen und wegfunken und durch die man dann als Anreiz sie zu tragen einen geringeren Beitrag zahlt. Kleine Kästchen, die das Fahrverhalten auf Risikohaftigkeit messen sind im Ausland schon im Einsatz. Der finanzielle Anreiz wird so bemessen, dass das viele Leute machen werden, wer es nicht möchte, zahlt drauf und hat anscheinend etwas zu verbergen, sonst würde er es doch machen! (hier wirkt dann schon das ökonomisierte Denken jedes einzelnen) Danach wird der nächste „Risikobereich“ in Angriff genommen usw…

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