DD208 Das Hänschen ist noch hochbegabt – der Hans hat mal ein Hirn gehabt (Februar 2014)

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Das Hänschen ist noch hochbegabt – der Hans hat mal ein Hirn gehabt (DD208, Februar 2014)

Nein, das ist keine Kolumne über digitale Demenz. Dann hätte sie einen anderen Titel, zum Beispiel: „Was Hänschen nicht spitz kriegt, liest Hans dann beim Spitzer.“ Oder: „Internet wirkt wie D-Menthol!“ Sie klagt aber doch über den offensichtlich fehlenden Schwung oder Unternehmergeist in Erwachsenen. Fehlt der? Ich glaube, er ist irgendwohin entschwunden. Wohin?

 

Mir liegt immer noch Fritz Riemanns Gegenüberstellung der Zwanghaften („obsessive compulsives“) und der Hysterischen („histrionics“) aus seinem Kultklassiker „Die Grundformen der Angst“ im Magen. Riemann stellt hier außerdem die Depressiven den Schizoiden gegenüber, aber das ist ein anderes Thema. Ich habe im Internet und in Büchern geschaut, was das eigentlich ist: zwanghaft und hysterisch (seit einiger Zeit sagt man offiziell histrionisch zu hysterisch, Riemann starb 1979). Es klingt sehr krank, oder? Nicht ganz so extrem und vernichtend formuliert man es so:

 

Zwanghafte Persönlichkeit: Sie zielt auf Recht und Ordnung, wahr und falsch, jede Frage hat eine richtige Antwort, sie liebt Kontrolle, Macht und Beherrschung. Alles muss perfekt sein. Sie ist gewissenhaft, ehrgeizig, ausdauernd, hartnäckig, sauber und sachlich. Sie strebt nach Sicherheit und Eigentum, ist deshalb vorsichtig und sparsam. Sie ist bodenständig, konservativ, konsequent und immer zuverlässig.

 

Hysterische Persönlichkeit: Sie möchte ein anregendes, interessantes, spannendes Leben voller Abwechslung und Abenteuer, dafür sind ihr auch Risiken recht („no risk, no fun“). Sie ist impulsiv, unternehmungslustig, liebt die Show, das Stehen im Mittelpunkt und den damit verbundenen Applaus. Sie giert nach Kontakten, begeisternden Momenten, neuen Ideen. Gleichzeitig ist sie unstet, oft oberflächlich und immer auf der Suche nach Neuerungen.

 

Eine Persönlichkeitsstörung liegt erst dann vor, wenn jemand stur perfekt ist oder ausrastend aufschäumend! Zwanghaft sind die, die Angst vor der Veränderung haben – hysterisch die, die sich quälend langweilen, wenn alles so bleibt, wie es ist.

Fallen Ihnen Beispiele ein? Controller sind zwanghaft, oder? Künstler sind hysterisch! Deutsche sind zwanghafter als Amerikaner! Was mir aber gerade nicht aus dem Kopf geht, ist:

 

  • Hänschen ist noch ganz hysterisch.
  • Hans ist zwanghaft geworden.

 

Lesen Sie doch die Charakterisierungen nochmals Punkt für Punkt! Kinder wollen alles neu erfahren. „Den Rasen mähen kann ich auch!“ – „Spaghetti kochen will ich selbst!“ – „Ich wasche heute ab!“ Sie wollen alles probieren und selbst können. Sie mähen aber nur einmal den Rasen, waschen einmal ab und kochen einmal. Dann können sie es und wollen weiter, immer weiter – unersättlich mehr haben und anderes erleben. Die Eltern sollten Event-Manager sein!

Erwachsene mähen immer den Rasen und waschen stets nach dem Essen ab. Das ist ein wichtiger Unterschied. Sie haben jetzt so viele Pflichten und Regeln, dass sie Neues kaum noch verkraften. Sie wehren das Neue eher ab.

 

Warum verändern wir uns so sehr? Wir WOLLEN es so. Das Zwanghafte ist der Deutschen Wunschvorstellung. Deshalb geben sie sich als Eltern meist zwanghaft, auch wenn sie es selbst nicht sind. Deshalb haben wir so viele zwanghafte Lehrer (histrionische leiten die Theater AG). Das Zwanghafte wird auch „Conforming Pattern“ genannt. Im Buch „Disorders of Personality“ schreiben Millon & Davis: „A major force behind the tightly structured world of compulsives is their fear of disproval and their concern that their action will not be frowned on, but severely punished. This fear can be understood given their likely history of exposure to demanding, perfectionistic, and condemnatory parents. “ Kurz in Deutsch: Zwanghafte können oft auf eine Geschichte zurückblicken, die durch perfektionistische, oft tadelnde Eltern charakterisiert ist, die immer ihr Bestes wollten… Millon/Davis unterscheiden verschiedene Erwachsenen-Typen von Zwanghaften: Übergewissenhafte, Puritanische, Bürokratische, Geizige und „Bedeviled Compulsives“ (das sind innerlich sehr gequälte Menschen, die gleichzeitig sehr konformistisch/selbstverleugnend sind und auf der anderen Seite sehr auf ihren Vorteil gedacht – immer im Spagat, der Egoismus darf um keinen Preis auffallen).

 

Unsere Erziehung produziert Zwanghafte. Zwanghafte Lehrer sind Teil des Systems. „Was man Hänschen nicht lehrt, macht Hans stets verkehrt“ und „Wenn Hänschen nicht lernt, wird Hans bald entfernt.“

Natürlich gibt es auch etliche Erwachsenenvarianten der hysterischen Seite: Theatraliker, Infantile (!), Leuchtend-Bunt-Begeisterte, Unaufrichtig-Listige und Tobend-Leidenschaftliche.

 

Ach ja. Wir betreten die Schule als mehr Hysterische und verlassen sie als Zwanghafte. Dann studieren wir ohne jede Persönlichkeitseinwirkungsversuche in der Gleichgültigkeit der Bachelormühle und beginnen die zwanghafte Arbeit.

Und da quälen sie uns jetzt. „Hallo, Zwanghafte, bleibt schön zwanghaft, gewissenhaft, kostengeizig, puritanisch und bürokratisch. Was euch aber fehlt, das ist die Begeisterung! Die Leidenschaft, die ‚Passion for the Business‘! Habt keine Angst vor unserem Stirnrunzeln, habt keine Angst vor Fehlern! Es ist normal, Fehler zu machen, für die man natürlich auch bestraft wird. Seid selbstverleugnend gegenüber der Firma, aber ego-getrieben hinter eurem Bonus her! Wenn man ab und zu einmal unaufrichtig-listig dem Kunden etwas aufschwatzt, ist es gut für den Bonus.“

 

Ich liebe es, wenn Manager sagen: „Man muss das eine tun, ohne das andere zu lassen.“ Manchmal ist es wie eine Aufforderung, innerlich ein Tauziehen zu betreiben. Sie wollen irre Kräfte nach links und irre Kräfte nach rechts. In Physik lehrten sie uns, es käme der Nullvektor heraus. Psychologen begreifen nicht, was ein Nullvektor ist. Sie nennen es Burnout.

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44 Antworten

  1. Spannender Artikel, der zu denken gibt! Mir ist auch schon seit langem aufgefallen, dass relativ viele Deutsche ein ausgeprägtes Regelwerksdenken haben, bis in alternativ-spirituelle Fragen und Erleuchtungskurse hinein. Wenn sie ein für sich schlüssiges Regelwerk gefunden haben, rasten ihre Denkmuster darin ein und es beginnt die Verwunderung darüber, dass das eigene Umfeld nicht auch die evidente Überlegenheit dieses Regelwerks und der darauf fußenden regelbasierten Verhaltensweisen erkennt und sie bedingungslos befolgt. Ich sah das bislang eher aus der Warte der Suche nach einem kognitiven Niedrigenergiebetrieb, nicht einer Zwanghaftigkeit. Aber vielleicht ist Zwanghaftigkeit auch eine Form von Energieeinsparung?

    Insbesondere der folgende Satz fiel mir auf: „Deshalb geben sie sich als Eltern meist zwanghaft, auch wenn sie es selbst nicht sind.“ Das klingt ja so, als würden nicht nur die Eltern die Kinder, sondern auch die Kinder die Eltern zur Zwanghaftigkeit erziehen 😉

    Die Frage ist auch, ob die großen Organisationen, die unsere Wirtschaft und Staatlichkeit kennzeichnen, ohne Zwanghaftigkeiten lenkbar und überlebensfähig wären. Beherrschbare Produktions- und Verwaltungsprozesse sind ja Zwanghaftigkeit in Reinform. Man stelle sich nur ein IBM oder ein Verteidigungsministerium aus lauter Paradiesvögeln vor! Wie es aussieht, müssen die Hysterischen die Unternehmen gründen, sich dann aber in Zwanghafte wandeln um sie zu lenken, oder Zwanghaftigkeitsprofis (sog. „Manager“) dafür einstellen. Ließe man die Hysterischen auf die die Großunternehmen los, hätte das wahrscheinlich als Nebenwirkung die Abschaffung des Kapitalismus zur Folge. Im Finanzbereich steht das ja immer wieder kurz vor dem Gelingen.

  2. Kreativität ist gefragt. Neues kann nur entstehen wenn man ausprobiert… Sinnvoll ist auch eine Vernetzung von Schulen. Viel zuviel wird heute über Datenschutz diskutiert…
    schöne Grüße aus dem Emsland

  3. Mich erinnert der Artikel an die Frage, welche Aufgaben als „Prozesse“ definiert werden können und welche Aufaben man besser „Künstlern“ überlässt.

    Große Organisationen versuchen gerne, alles in Prozesse zu packen, insbesondere wenn ihnen die „Künstler“ davonlaufen. Facebook (wie zuvor Google) als Arbeitgeber zieht derzeit so viele „Künstler“ an, dass auch mit wenig prozeduraler Jobbeschreibung spannende Ergebnisse erreicht werden. Dort entsteht aufgrund der Schaffensfreiheit dann Innovation.

    Ich glaube allerdings nicht, dass Künstler bzw. Hysterische als Folge elterlicher Erziehung generell verschwinden. Vielmehr kommt es darauf an, ob sie Nährboden finden. Egal ob bei Unis, bei großen Firmen, bei Gründerorganisationen etc. Die Künstler gibt es auch in den großen Organisationen, nur ist dort manchmal der Nährboden etwas karg.

    Interessant wäre, ob eine Organisation eine Metrik (oder ein „Gefühl“) für das Verhältnis ihrer zwanghaften und hysterischen Mitglieder entwickeln kann, um bei der Einstellung neuer Mitglieder den unterrepräsentierten Typ besonders zu bevorzugen. Auch Facebook kann nicht als „Bastelbude“ skalieren, ebensowenig wie alteingesessene Firmen als „Prozesskorsett“.

    1. …da fällt mir ein, dass bestimmte größere Firmen in Assessments immer die gleichen einstellen, oder? Es gibt nur einen Regelsatz, den man bei Einstellungen abhaken können muss. Man müsste erst verschiedene Normvarianten definieren. Ich habe mal bei IBM solche mit vorangetrieben, die haben wir bei Beurteilungen verwendet, aber nicht bei Einstellungen.

  4. Es war schon immer so – Kinder sollten kreativ (da später nicht mehr erlaubt) schon im Kindergarten gewöhnt man es ihnen ab … aber dann reden Bürokraten über Innovation – ganz schön innovativ (für die Bürokraten).
    Danke für den Beitrag – es werden ihn leider wieder nur die falschen lesen – „Man kann das Denken nicht attakieren — daher attakiert man die Denker!“
    Gruß aus Kärnten

  5. Das DD erinnert mich doch ganz stark an die Omnisophie =) Die wahren und die richtigen Menschen. Nur ist es bei dem DD so, dass man als Kind „wahr“ ist und mit dem erwachsenwerden zum „richtigen“ Mensch wird.

    Wenn es nach Erich Kästner geht sollten die Erwachsenen eine gute Mischung aus wahr und richtig sein um Mensch zu werden.
    Greets

  6. Ihr Beitrag deckt sich mit meiner eigenen Erfahrung: nach meinen Managerzeit bin ich heute mit Kindern aus den 4. Klassen einer Grundschule mit Kunst kreativ. Und die Schule freuts, auch weil das Thema Kreativität und Kunst in den Lehrplänen immer weniger Platz findet. Dabei ist es aber wichtig, das Stückchen Anarchie der Kinder mitzutragen, denn Kreatives braucht oft auch ein Stückchen Chaos!

    Nebenbei: Ich habe keine Ahnung, ob Erich Kästner -sowohl der für Erwachsene als auch der für Kinder – noch intensiv in Deutschland gelesen wird. Es würde aber nicht schaden, ich habe daraus viel lernen können!

  7. Die ersten 12 Monate bringen wir unseren Kindern bei zu sprechen und zu laufen, die folgenden 12 Jahre sagen wir Ihnen, still zu sitzen und den Mund zu halten.

  8. Der Hans-/Hänschengedanke ist spannend, ich gehe aber eher davon aus, dass normalneurotische Erwachsene alle von Riemann beschriebenen Anteile in sich tragen (so wie auch Kinder dies ab einem bestimmten Alter tun). Es ist wohl nur nach Lebensphase und/oder Alltagserforderung der gerade am meisten gebrauchte Anteil im Vordergrund. Analog könnte man auch sagen, dass im Kindesalter das Es stärker ist und später in vielen Fällen das Über-ich. Das Es verschwindet aber nicht, die hysterischen Anteile wird man auch nicht los. Sie halten sich nur anders die Waage.
    Es gibt übrigens auch vorwiegend zwanghaft veranlagte Künstler, das Bild vom hysterischen Künstler ist ein, finde ich, arg enges.

  9. Das Tauziehen ist ein gutes Bild. Ich lebe seit einigen Jahren in China. Von den Chinesen habe ich gelernt, in Projekten nicht erst die 100%-Lösung fertig definieren zu müssen, bevor man loslegen kann – sondern dass man manchmal mit einer 60-80%-Lösung starten muss, weil der Rest sich dann sowieso wieder ändert. Auf der anderen Seite erlebe ich immer wieder unterirdische chinesische 20-30%-Lösungen (Handwerker… Verkehr…) oder 0%-Lösungen (Milchpulver!), wo man meiner bescheidenen Meinung nach durchaus von deutschen Ansätzen lernen könnte.

    Ich schätze mittlerweile die chinesische Flexibilität – aber auch das deutsche Regelsystem, und vor allem auch die Neigung, sich persönlich regelkonform und nicht (na gut, relativ wenig) gesellschaftsschädigend zu verhalten.

  10. Ich finde, man muss auch den gesellschaftlichen Wandel sehen:

    wer heute ca. 40 – 60 (oder älter) ist, der wurde noch im blinden Vertrauen auf „Fortschritt“ erzogen, auch wenn bereits in den 70ern erste Warnungen vor Umweltschäden laut wurden. Die ZUVERSICHT, dass man damit auch würde umgehen können, war ungebrochen.

    Wer jünger ist oder heute aufwächst, ist umzingelt von Eltern und EU-Kommissionen, die ihm vorrechnen, dass er mal sterben könnte, wenn er nicht schlank, nikotin- und alkoholfrei ist und dass die Klima- und sonstige Katastrophen unmittelbar und unausweichlich bevorstehen.

    Sowas lähmt erst einmal, und man versucht sich im Gewohnten zu verschanzen, blickt eben nicht optimistisch in die Zukunft. Sondern fürchtet sich vor sich selber.

    Ich habe mal von einem vergangenen Experment gelesen, bei dem eine Maus im Käfig mit Stromschlägen traktiert wurde. Als man damit aufhörte und die Käfigtür öffnete verharrte die Maus unbeweglich IM KÄFIG. Scheints leiden wir unter einem kollektiven Stockholm-Syndrom.

    1. @admin:
      Der Zeitgeber im Blog scheint die letzte Zeitumstellung verschlafen zu haben? Es ist 21:47 Uhr gerade

      PS. bin ich jetzt zwanghaft? 😉

      1. Ich kann der Zeitlinie nicht ganz zustimmen. In den 70er Jahren waren Umweltschäden kein leiser Verdacht, sondern ein großes Thema, das ja auch bald schon die Grünen in den Bundestag spülte. Die Fortschrittsskepsis gab es damals, sie wurde aber durch Wirtschaftswachstum ein bisschen ausgeglichen. Allerdings wuchsen wir auch in dem ständigen Wissen auf, schon in der nächsten Stunde durch Atomraketen ausgelöscht werden zu können, also eine diffuse, aber sehr konkrete technologische Bedrohung, deren Empfinden im Rückblick nicht nachvollzogen werden kann.

        Insgesamt waren die Unterhaltungs- und Informationsdichte damals noch lange nicht so entwickelt wie heute, sodass in Momenten der Stille und des Wartens noch eigene Gedanken formuliert werden konnten… und mussten. Heute ist man hingegen sehr ereignisgetrieben. Man verharrt in der Erwartung der nächsten Botschaft, des nächsten Reizes, der nächsten Mail, SMS, der nächsten Aktion meines Widersachers im Videospiel, der nächsten Actionszene auf einem der Hunderte TV-Kanäle, des nächstens Tweets eines Bekannten oder eines Stars, und nimmt dabei in Kauf, auch das Leben im öffentlichen Raum mit gesenktem Kopf und Blick auf ein leuchtendes Rechteck zu führen. Nicht die Angst vor Klima- und sonstigen Katastrophen lähmt, sondern einerseits die stetige Reizfülle, andererseits der angelernte Reflex des Wartens auf externe Reize, wenn selbige ausbleiben. Die Stille wird unerträglich, ereignis- und unterhaltungsfreies Warten wird als Zumutung, Langeweile fast als Verletzung eines Grundrechts gesehen, der Blickkontakt mit dem Fremden gebeugten Hauptes gemieden.

        So wie zwischen den Galaxien nimmt der Raum zwischen den Menschen zu und kühlt ab. Der Mensch steht, von der technologischen Reizflut gelähmt und abgelenkt, immer mehr alleine da. Und dann geht plötzlich der Strom aus und es wird still…

  11. Auch von den Kommentaren bin ich begeistert. Sehr gutes Thema!
    Vielleicht ist der Kern getroffen. Jede dirigistische Lösung des Problems wäre aber kontraproduktiv. Durch das Zwanghafte sind wir ja erst das geworden was wir heute sind. Dabei leisten wir uns trotzdem genug Paradievögel, um die Kreativität nicht ganz zu verlieren.

  12. In den über 40 Jahren meines Lebens habe ich (und ich vermute stark, so gut wie jeder) eines gelernt: So gut wie immer ist „Veränderung“ gleichzusetzen mit „Verschlechterung“. Sie wird uns so gut wie immer aufgezwungen und sie wird uns von anderen Menschen oder Institutionen zu deren Vorteil aufgezwungen, nicht zu unserem. Für Machtlose, und das sind wir so gut wie alle, ist eine Veränderung praktisch nie von Vorteil. Eine Ablehnende Haltung gegen Verschlechterung der eignene Umstände ist ganz natürlich. Würde man aufhören so zu tun, als wäre Veränderung per se gut, würde man auch verstehen, warum Menschen gegen Veränderungen sind.

    Und die quasi Verherrlichung des kindlichen Prinzips stelle ich auch in Frage. Natürlich kann der Nachwuchs locker mal „Geschirr abwaschen“ um es auszuprobieren und es dann lassen, weil man davon nass wird, das Kreuz weh tut und man sich an den Scherben schneidet, wenn man den runtergefallenen Teller zusammen sammeln muss, wenn man sicher sein kann, dass jemand anders das Geschirr abwaschen wird, wenn man es selbst nicht mehr tut. Wie unglaublich „zwanghaft“ aber auch ein Kind sein kann, kann man ausprobieren, wenn man den gewohnten Nachtisch weg lässt oder es ins Experiment versetzt, mal für ein paar Monate ganz spontan KEIN Taschengeld mehr zu bekommen. Da wird aud dem scheinbaren „hysterischen Zauberwesen“ Kind ganz schnell die pathologisch hysterische Variante, die Ordnung und Struktur diktatorisch einfordet.

    Nein, Kinder sind grundsätzöich nur eines: rücksichtslosere Egoisten mit dem klaren Bewusstsein dafür, keine Verantwortung für sich oder andere zu tragen. Das macht sie oberflächlich gesehen so „frei“.Wenn man dem Filius nach erledigtem Rasenmähen sagt „Fein hast du das gemacht, jetzt kannst du das ja jeden Sonntag machen, wo du das so gut kannst“ wird sich der Kleine das nächste Mal gut überlegen, ob er seine Eignung für einen weiteren Frondienst unter Beweis stellen soll…

    (Zu dem einen Kommentar, dass Datenschutz ein ZU VIEL disutiertes Thema ist, schreibe ich besser nichts – schon gar nicht in einem Überwachungsstaat.)

    1. Da stand doch weiter oben etwas über „Burnout“ – mir scheint, dieser Beitrag von DI Walter Haberl ist (leider) ein Beispiel davon.

      Ich wünsche Ihnen, Herr DI Haberl, dass Sie wieder einmal positive Erfahrungen machen können bzw. diese auch wahrnehmen können.

      Vielleicht genügt ja, dass Sie sich für positive Sichtweisen öffnen: z.B. das mit den „egoistischen“ Kindern:

      Es gibt da gescheite Abhandlungen drüber, dass wir uns (übrigens wir alle 🙂 ) von einer natürlichen(!!) selbstbezogenen Sicht-/Denk-/Handlungsweise, die auf das eigene Überleben/den eigenen Vorteil ausgerichtet ist, schrittweise auf andere, einzelne Menschen/Sichtweisen und schließlich auf andere Gruppen von Menschen bzw. die Menschheit/Lebewesen/… generell „ent-wickeln“ sollen/können/dürfen.

      So ist es wohl die Aufgabe der Erwachsenen, die Kinder von der engeren Sicht auf die weitere Verantwortung hin, zu „erziehen“ – am besten wohl durch ihr eigenes Vorbild.

      Das das mit dem eigenen Vorbild nicht so leicht ist, wissen wir wohl alle… 🙂

  13. Welch ein Ablenkungsmanöver! Die Wirklichkeit: Die Deutschen haben es sich in Ihrem scheinbaren Schlaraffenland namens Wohlfahrtstaat gemütlich gemacht. Und mit einem Regelwerk von 100.000 neuen Paragraphen seit der Staatsgründung in neuen oder geänderten Gesetzen braucht man keinerlei Verantwortung mehr zu tragen. Hauptsache man befolgt die Regeln und kann in den Ritzen dazwischen seine Egoismen ausleben.

    Wozu braucht es da Kultur, Kunst und Kreativität? Fußball, Sex und Reisen reicht völlig. Und aufregen kann man sich so schön digital und virtuell in den „Social Media“.

    1. Das ist nicht die Wirklichkeit, es ist nur die geschaffene Realität.

      B.Brecht leicht abgewandelt
      Der rücksichtslose Dilettant kann sich hinter Regeln verstecken, der intelligente Rücksichtslose erschafft einfach die allgemeingültigen Regeln.

  14. Stimme nicht überein zu Punkt Veränderung=Verschlechterung, nicht alle Veränderungen sind schlecht. Man kann z.B. auch Dinge ‚zurück verändern‘ … oder Prozesse vereinfachen (…manchmal 😉
    Generell bleibt die Frage wie ‚incentivieren‘ wir unser Schulsystem ‚wild ducks‘ zu fördern?
    PS: Hab schon grad bei Amazon die Kinderbibliothek um die fehlenden Erich Kästner Werke ergänzt. Danke für den Denk-Anstoß.

  15. In einer Welt der stetigen Veränderung, ist die Veränderung N O R M A L. Etwas Unveränderliches hat keine Wirkung. Auf etwas Unveränderliches kann auch nichts wirken. Folglich hat Unveränderliches mit der WIRKlichkeit nichts zu tun.
    Regeln sind nur Teil der selbst erschaffenen Realität, sofern der Mensch an diese G L A U B T.

    Die Konditionierung mit dem Mittel Belohnung und Bestrafung in einem Glaubenssystem zeigt seine emotionalisierende Wirkung.
    Das Modell des permanent wertenden Homo Oeconomicus ist nicht rational. Eine Wertung ist rein emotional. Der Homo Oeconomicus ist ein emotionaler Vollpfosten, der der Vernunft nicht zugänglich ist.
    Diesen Nachweis haben bereits 1993 Gode und Sunder erbracht, indem sie nachwiesen, daß für (Markt)Regeln 0% Intelligenz erforderlich ist. Logiker sollten schnell erkennen, daß die Welt dann nicht nach Regeln funktioniert. Ökonomische Betrachter fällt dies nicht auf, wie auch, bei 0% Intelligenz…
    Gäbe es Regeln, wäre da Gehirn schlicht überflüssig und keiner würde je von diesen Regeln abweichen können, denn diese wären fest im Lebewesen verdrahtet. Alle Menschen wären Zombies.
    Das Gehirn berechnet nichts, das Gehirn ist kein Prozessor, das Befehle erhält und diese abarbeitet. Das Streben nach KI zeigt nur, wie weit der Mensch sich in seiner Idiotie verlaufen hat.
    Es wird Zeit, die Dispositive der in Slektion mündenten Ideenlehre endlich aufzugeben. Wettbewerb führt nur zur heiligen Einfalt und zum Herdentrieb.
    Mathematik ist reduziertes Denken, denn die entscheidenden Faktoren können nicht dargestellt werden, die (zwischenmenschlichen) Beziehungen. Ein Mensch voller Emotionen ist nicht in der Lage zu fühlen. Eindrucksvolles Beispiel sind abgestumpfte Büro-, Techno-, Pluto- und Autokraten.
    Um ein Verständnis zu entwickeln bedarf es des Einfühlungsvermögens. Es gibt keinen Verstand ohne Fühlen. Intelligenz ohne Fühlen führt unweigerlich zur Zerstörung.
    Nicht die Wahl ist die Erlösung für den Menschen, sondern eine weitgehende widerspruchsfreie innere Haltung, dann muß er nur sehr wenige Entscheidungen treffen und kann sich auf sein Gefühl verlassen.
    Die Welt kennt Methoden der Selbstähnlichkeit, aber keine Ideale und daher auch keine Regeln.

    1. Schon daran, wie viele Witze der Herr machen muss um seinen Vortrag zu verkaufen deutet darauf hin, wie wenig er zu sagen hat. Wir finden z.B. die typische Anbiederung bei den Bildungsfeindlichen: „Universitätsprofessoren sind komisch“ etc. etc. Ich kann nur widersprechen. Unser Schulsystem muss so gestaltet sein, dass es _auch_ Universitätsprofessoren hervorbringen kann. Klatschen, Singen, Liebhaben und Vegetieren im Malraum bringt nur Insassen der B-Arche hervor.

      Die Art von „Kreativität“ die alle so gerne fordern, haben wir in Steinzeit und Mittelalter ausprobiert. Niemand braucht noch 3 weitere getöpferte Bleistifthalter. Dass wir kleinen Kindern etwas anderes erzählen, ist reine Nettigkeit. Ohne „Handwerkszeug“, sei es eine formal-logische Ausbildung, oder ein tatsächliches Werkzeug wie z.B. ein Klavier, kann nahezu niemand etwas relevantes Neues schaffen.
      Wer traut sich mal, eine Analyse der Beweggründe zu machen, warum jemand „Bildungsforscher“ geworden ist, und welche Auswirkungen es auf die Ergebnisse seiner empirischen Untersuchungen mit 10^9 Hamstern) seine Kreativität ausleben will.

      1. Sie klingen als wenn sie schon zu diesen Stein- und mittelalterlichen Zeiten gelebt hätten:

        Diese Menschen mußten LOGISCH betrachtet weit kreativer sein und ihren Verstand benutzen als heutige Pseudointellektuelle.

        Formale Logik ist nicht aus sich heraus logisch:
        Aus einer Form ergibt sich weder Inhalt noch Bedeutung oder gar ein Zusammenhang.

        Etwas, das es nicht geben kann, kann weder logisch noch vernünftig sein.

        Keiner weiß, was wirklich relevant ist. Oftmals ist es beispielsweise nur eine Melodie, die ein Mensch hört, um ihn auf eine Lösung zu bringen.
        Simplifiziertes lineares monokausales Denken ist das Problem und nicht die Lösung.

        1. Bei Pseudointellektuellen stimme ich Ihnen zu. Gut dass die in der ersten Matheklausur an der Uni aussortiert werden 😉
          Was die formale Logik angeht, ist das eine Definitionssache; die „lebensweltliche“ Bedeutung, die ich jetzt mal mit Ihrem Logikbegriff identifiziere, wird halt bei der „Konstruktion“ der Eingaben für das Kalkül und bei der Interpretation der Ergebnisse eingebracht.
          Es gibt sogar jede Menge „logische“ und „vernünftige“ Dinge, die es nicht „gibt“. Ein ganz einfaches Beispiel sind Zahlen. Und für viele Leute gibt es auch logisch widersprüchliche Dinge, obwohl deren Existenz (bis auf Fehler in ZFC) eigentlich wiederlegt ist, man nennt das dann „Doppeldenk“.
          Simplifiziert, linear, monokausal – klingt für mich nach Argumentationen der Form: Vor der Schule waren die Schüler Genies, nach der Schule tumbe Sklaven, also muss die Schule dran schuld sein.

          1. In einer Welt der stetigen Veränderung kann es nichts Unveränderliches geben. Es kann daher keine unveränderlichen Formen geben. Auch Zahlen kann es folglich nur in der Realität des Gläubigen geben, denn Zahlen sind eine willkürliche Festlegung.
            Mit Logik und Vernunft hat eine unveränderliche Form nichts zu tun.

            Sie sind dran. 🙂

  16. Mir sind Ihre Theorien (ist ja nicht die erste) über die Zwangsjacken, die Kindern oktroyiert werden, zu oberflächig und einseitig. Wenn Sie Berichten von Kinderpsychiatern folgen, warum viele Kinder asozial werden und die Aufmerksamkeitsspanne einer Amöbe besitzen oder Studien über antiautoritäre Erziehungen (ist ja schließlich nicht ganz neu das Modell), dann würden Sie wissen, dass Kinder sehr wohl Strukturen brauchen. Die meisten Künstler schaffen Großes nur mit der Disziplin eines Feldwebels. Talent alleine reicht nicht, für einen Durchbruch braucht es auch Fleiß, Kleinarbeit und Durchhaltevermögen. Alles Dinge, die der Disziplin entwachsen, die man vielleicht beim täglichen Rasenmähen lernen kann.

    Mozart musste bereits ab vier Jahren regelmäßig drei Musikinstrumente spielen, nur durch die perfekte Beherrschung dieser Instrumente, konnte er zu einem großen Komponisten werden (und durch die Tatsache, dass der Vater ihm Kontakte besorgte).

    Auch große Wissenschaftler mussten immer zunächst das „Handwerk“ (die Grundlagen) lernen, bevor sie weiter forschen konnten.

    Es nützt nichts den Kindern den Kopf frei zu halten, damit daraus große Ideen sprießen. Meisten bleibt er dann nämlich leer. Erst die Beschäftigung mit vorhandenen Dingen öffnet den Geist für Neues, schafft Verknüpfungen, gibt der Intuition Futter und dann kommt plötzlich die Erkenntnis, dann kommen die Ideen und dann kommen auch die Innovationen.

    Nur Gott hat es geschafft aus dem Nichts was zu schaffen 😉

    1. Ich habe gar nicht GEGEN Disziplin gesagt, sondern gegen den Verlust der Balance…jetzt verschult sogar noch das Studium, die Studenten sind so sehr mit Punktesammeln befasst, dass sie kaum noch Hobbys weiterbetreiben können (Klavier, Sportverein etc.). Früher hatte man ja mal Kreativphasen. Das ist alles weg, die Leute arbeiten von zu Hause aus, die Gespräche verkümmern… die Balance geht immer mehr verloren. Und natürlich haben dann die so entstandenen Erwachsenen keine Zeit mehr für die Familie, man bringt Kinder zu „Kursen“ weg. Sie haben in allem Recht, ja, man braucht Hartnäckigkeit für seine Vision, aber heute hat man keine Zeit mehr, eine Vision für sich zu bilden – da bleibt nur noch geforderte Akkord-Disziplin in einer beschleunigten Welt… Und die Kinderpsychologen, die Sie erwähnen, behandeln die zu Ihnen gebrachten KINDER, aber aus dem Fernsehen wissen wir (auch aus den Hundesendungen), dass fast immer die Eltern das Problem sind… die werden nicht zum Psychologen gebracht. Die Psychologen sagen selbst (das ist nicht meine Theorie), dass immer nur der aus den Augen der Familie Schwächste zur Therapie gebracht wird, das ist das Kind. Die Systemkrankheit ist aber in der Familie.

    2. Gehorsam ist etwas anderes als Disziplin. Regeln fordern Gehorsam und fördern das Pickelhauben-Gen. Ein Feldwebel hat nur zu gehorchen, das ist seine Pflicht.

      Es bleibt nur den Regeln gehorchen ODER Rücksicht zu nehmen.

      Nicht jeder kann ein Mozart sein, da kann er noch soviel üben. Was Mozart als Kind dachte oder fühlte wissen wir nicht. Daraus abzuleiten, aus Gehorsam entstünde Kreativität, ist maximal ein Scherz.

      Kinder lernen aus ihrer Umgebung und aus dem Verhalten anderer Menschen.
      Mit Belohnung und Bestrafung werden sie nur auf Gehorsam konditioniert. Es werden haarlose dressierte Affen erzeugt.

      Es gibt keine „großen“ Menschen, die innerhalb eines bestehenden Regelwerkes hätten groß werden können. Alle haben mit den Regeln gebrochen, sonst wäre eine Änderung gar nicht möglich…

      Das Nichts müßte unveränderlich sein. Folglich kann daraus auch keine Wirklichkeit entstehen.
      Aus dem Nichts entsteht nichts, nicht mal eine Idee.
      Auch Gott müßte sich verändern, wenn er eine Wirkung erzielen wollte. 😉

      1. Was Sie hier schreiben, gefällt mir und findet meine Zustimmung.

        Luhmann spricht bezüglich der Erziehung von der „trivialen Programmierung nichttrivialer Menschen“. Ist auch nett ausgedrückt.

        Und: ich freue mich, dass hier endlich mal jemand Arno Grün erwähnt! Ich denke wie er, dass die ambivalente Haltung, die aus Erziehung resultiert, sehr viel mit den späteren Verhaltensweisen zu tun hat!

  17. Anleitung für innovative Streiche:

    1. Lasst die Kinder so lange wie möglich auf einem Bauernhof spielen.
    2. Lasst den Kindern ihre Langeweile
    3. Der Anreiz zur Veränderung kommt aus der Begrenzung der Mittel
    4. Lasst sie ihre Fragen selber stellen
    5. Fordert Können und Wissen ein und lasst sie damit spielen

  18. „Psychologen begreifennicht, was ein Nullvektor ist. Sie nennen es Burnout.“
    Das hat mich sehr getroffen. Allerdings möchte ich hinzufügen, dass sich Kräfte nicht nur aufheben können, sie können auch wechselwirken – das führt dann zu den interessanteren Effekten.

    1. Ich weiß nicht, ob es das schon gibt, eine Theorie der Teufelskreise – wie die Neurosen langsam durch Wechselwirkungen entstehen und dann nicht wieder „rauszubekommen“ sind…das ist auch ein wichtiges Thema in der Ökonomie, wenn Unternehmen erkranken, also innerlich alle Energien so zersplittern, dass „Null“ herauskommt…

      1. Und was für ein Teufelskreis! Der schlägt sich bis in die Epigenetik nieder. Kurz gesagt: Die Neurose manifestiert sich nicht nur auf physiologischer Ebene im eigenen Körper, sondern wird auch vererbt. Somit gibt es aber auch keine Ausreden mehr. Jeder kann diesen Teufelskreis durchbrechen.

        1. Hallo Herr Vigl, gibt es dazu Literaturlinks? Und warum kann man jetzt „durchbrechen“, wenn es ererbt ist? Ich würde denken, es wäre einfacher, wenn ich es erworben habe? Thx GD

  19. Grüße Sie,

    am besten als kurzer, knackiger, aktueller Vortrag:
    http://www.youtube.com/watch?v=fYMmwa2oWyQ

    Das Interessante an der Epigenetik ist, dass sie diese ewige Anlage/Umwelt-Diskussion durchbricht und auf völlig neue Beine stellt. Es hängt alles zusammen! Es geht hier nicht primär um unsere DNA-Stränge, sondern um deren Methylierung. Methylierung beeinflusst, einfach gesagt, in wie fern ein bestimmter DNA-Abschnitt als Bauplan herangezogen wird. Und Methylierung arbeitet viel dynamischer, als ursprünglich angenommen. Das ist vielleicht der Grund, warum sich bestimmte Dinge in unserer Gesellschaft so schnell und stark manifestieren.

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