DD221: Tugend, wo bist Du in der Arbeitszeit? (August 2014)
Da die Arbeitswelt in den letzten Jahrzehnten so stark ökonomisiert wurde, fehlt es an ethischem Bewusstsein. Pro 20.000 Mitarbeiter muss jetzt bestimmt bald ein freigestellter paritätisch besetzter Ethikrat gewählt werden. Der klagt aber bestimmt nur gröbste Missstände an, denke ich, aber eigentlich müssten wir einmal überlegen, was Ethik in der Arbeitswelt wirklich bedeutet. Ich zählen Ihnen einmal zur Abschreckung Tugenden auf. Warum Tugenden?
Ich habe neulich einmal von „Tugend“ oder „Virtus“ gelesen und das Gefühl gehabt, dass alles, was Tugend ist, nicht mehr – ja – nicht mehr da ist oder auch gar nicht mehr da sein kann, weil es der Ökonomisierung entgegensteht.
Platon spricht von Arete, von der Vortrefflichkeit, der Gutheit – Arete hat, wer Mensch im vorbildlichen Sinne ist – Prachtmensch.
Platon hat uns die vier Kardinaltugenden nahegelegt: Weisheit, Gerechtigkeit, Tapferkeit und das Wissen um die rechte Mitte oder das beste Maß (Sophrosyne).
Aristoteles mahnt uns, die uns innewohnenden Begabungen und Talente fruchtbar zu machen, um letztlich die Glückseligkeit zu erreichen (er hat nicht Karriere gesagt!).
Jesus predigt auf dem Berg, dass gewisse Menschen selig wären, er preist damit die Barmherzigkeit, Friedfertigkeit, Sanftheit und Reinheit im Herzen (man denke dabei an den jetzigen Krieg in der Nähe eben dieses Berges).
Paulus predigt über „Glaube, Hoffnung, Liebe“.
Die himmlischen Tugenden sind Demut, Mildtätigkeit, Keuschheit, Geduld, Mäßigung, Wohlwollen und Fleiß (Prudentius).
Ritter kennen noch zusätzlich Frauendienst, innere Gelassenheit bei Starkmut und vor allem Treue.
Buddha fordert uns auf: „Lass ab von Hass, Gier und Verblendung!“
Die Bundeswehr propagiert Hilfsbereitschaft und Kameradschaft.
Schopenhauer rät: „Neminem laede; imo omnes, quantum potes, juva“ („Verletze niemanden, ja hilf dagegen, so viel du kannst“).
So – jetzt gehen Sie einmal in ein Meeting eines Großkonzerns oder in eine Ausschusssitzung der Politik. Gehen Sie alle Tugenden nacheinander durch. Herrscht da Sophrosyne? Geht es gerecht zu? Lässt man von Gier ab? Gibt es eine Meisterehre?
Das sind natürlich rhetorische Fragen – ich möchte nicht nur, dass Sie die Antworten kennen, Sie sollten von nacktem Grauen erfasst sein. Sie wissen, dass sich Privatleben und Arbeitsalltag immer mehr vermischen. Sie können also nicht mehr autonom beschließen, jeden Nachmittag ab 17 Uhr tugendhaft zu sein und nur bis dahin die Tugend in Haft zu halten. Sie gehen bei der Vermischung von Leben und Arbeit als Mensch im Sinne der Tugendlehren verloren. Sie können sich – wie man überall anders immer sagt – von der allgemeinen Untugend nicht abkoppeln.
Sie können sich noch eine Weile damit trösten, dass Sie die Tugenden immerhin noch gut kennen und aufzählen können. Sie kommen eben nicht mehr dazu, wie andere nicht mehr zum Sport kommen oder zu einem ruhigen Mittagessen.
Seneca sagt: „Sie leben nicht, sie wollen nur leben, alles schieben sie auf.“
Sie sind nicht voller Tugend, Sie wollen nur tugendhaft sein, alles schieben Sie auf. Einfach, weil sie arbeiten.
22 Antworten
Sehr interessant und wichtig. Ich abrbeite am Thema: WÜRDE, ACHTUNG UND ANERKENNUNG statt Beschämung. Ich habe auch eine fb Gruppe mit dem Titel gegründet. Wenn sie mehr zu den Tugenden veröffentlichen bin ich sehr interessiert. Gerne sende ich Hinweise zu meiner Arbeit.
mit herzlichen Grüssen
Wolfram Kölling
Wenn heute Tugenden schon nicht in der Arbeit realisierbar sind, dann wenigstens privat. Es geht, auch wenn wenig Freizeit übrig bleibt. Jeder Fanatismus, ja Leidenschaften töten alle Tugenden. Empfehle allen Herrschern dieser Erde die Biographie von Stefan Zweig über Erasmus von Rotterdam zu lesen. Damals buhlten alle Herrscher in Europa und die Päpste um Ihn!!! Er ließ sich aber nicht vereinnahmen.
Und heute??? … Kennt ihn kaum noch einer, obwohl seine Schriften so aktuell wie nie sind.
Wohl wahr. Doch ist es unmöglich, Tugendhaftigkeit anzustreben? Ein Schritt nach dem andern?
Vielleicht klappt das nicht in jedem Meeting, doch ich stelle fest, dass der Widerstand, der einem auf Tugendhaftigkeit oder den Aufruf dazu entgegengesetzt wird, oft viel kleiner ist, als ich vorher annehme.
Viele Firmen haben sich ja eine sinnvolle Mission gegeben. Diese des öfteren heranzuziehen kann schon etwas bewirken, auch und gerade im Konkreten.
Die „Ökonomisierung“ wird gerne als Schuldiger für alles Mögliche ausgeguckt, schon weil das eine anonyme Instanz ist, für die man dann selbst nichts kann. Im Grunde beginnt aber schon mit dieser salvatorischen Zuweisung das moralische Problem. Denn ethische Reflexion und Selbstverpflichtung auf bestimmte Werte richten sich an den jeweiligen Menschen selbst, der darüber nachdenkt. Die Grundform aller Ethik ist, dass ich den Ansprüchen und Berechtigungen anderer zustimme, also meine eigenen Rechte mit denen anderer abgleiche und dann im Zweifelsfall von meinem eigenen Vorteil absehe, damit der andere sein Recht bekommt. Das heißt: Ethik ist, wenn ich gebe, nicht wenn ich beanspruche. – Die Tugenden sind davon unterschieden. Es sind eher Standards, die sich mit der Zeit wandeln können. So gab es Zeiten, in denen „Gehorsamkeit“ und „unbedingte Treue“ als Tugend galten. Heute würde man eher sagen, es sei eine Tugend, offen seine Meinung zu sagen.
Ob nun gerade am Arbeitsplatz das Tugendniveau geringer ist als im privaten Raum? Man könnte auch das Gegenteil behaupten. Tatsächlich werden am ehesten noch im formalen Rahmen von Institutionen gewisse „Werte“ hochgehalten, während in der Freizeit die Menschen längst als „normal“ empfinden, dass sie niemandem etwas schulden. Oder anders gesagt: Dass man alles, was Unlust bereitet, nicht tun muss, ja dass es sogar „unethisch“ ist, anderen Menschen irgendwelches Verhalten abzufordern, wozu sie einfach keine Lust haben. Lustunterdrückung darf gar nicht sein – das ist einer der großen Bewusstseinstrends unserer Zeit. In der Bildung werden schon einfachste Anstrengungen wie den Kleinen einen Text zu diktieren dämonisiert („Drill“). Auch in tausend anderen Bereichen ist die höchste Tugend, dass man seinen eigenen Spaß im Auge behält – „jeder wie er mag“, bloß keine Triebunterdrückung.
Anders sieht es dann in vielen Institutionen aus, wo sich der Mensch eben doch noch zu bestimmten „Tugenden“ durchringen muss, z.B. dem leidigen Fleiß, dem leidigen Anderen-zuhören-müssen, der unmneschlichen Höflichkeit, dem grausamen Pflichtbewusstsein und – last not least – dem Verantwortungsgefühl. Bei den von Juvenil-Kulturen geprägten Startups ist es zwar inzwischen Sitte, ein Arbeitsumfeld und -klima zu schaffen, das vor allem „Lust“ macht, damit sich der Fleiß und das Verantwortungsgefühl für die Aufgabe schon allein durch den Wunsch einstellt, nicht aus dem Paradies vertrieben zu werden. Aber das sind ja einstweilen noch Nischen.
Der normale Arbeitnehmer – Arbeiter, Busfahrer, Verwaltungsangestellter etc – die sind noch zu den alten Tugenden gezwungen.
Wenn man statt der Tugendfrage die Ethikfrage stellt, dann ist es mE so, dass jedes Unternehmen nicht anders als wie jeder einzelne Mensch sich in ethischen Dilemmata bewegt, Unternehmen aber noch mehr, weil sie gleichzeitig in mehrere Richtungen Recht tun müssen – die Lieferanten nicht zu sehr pressen, die Kunden nicht übervorteilen, den Arbeitnehmern die Löhne erhöhen und gute, faire Arbeitsbedingungen verschaffen, mit Konkurrenten nicht brutal umgehen, bei den Rohstoffen und Vorprodukten schauen, wo sie herkommen, außerdem Umwelt und Corporate Responsibility an allen Ecken und Enden … das ist eine ganze Menge, wo sich ein Unternehmen als Institution heute daneben benehmen kann, und dementsprechend sieht es auch für die Mitarbeiter oft sehr komplex aus, vom persönlichen Umgang miteinander bis zu den Dilemmafragen, wenn zum Beispiel „umstrukturiert“ werden muss. Aber auch hier ist oft die Institution im Vorteil, weil sie für Dilemmafragen Policies hat und weil sie daraufhinweisen kann, wie sie selbst sich ihrer Hautwehren muss – die Ethik des Boxkampfs ist ja einfach die, dass es Wettbewerbsregeln gibt, und darin kann man sich dann frei bewegen.
Wie auch immer, wenn man heute – sagen wir mal – aus der Berliner U-Bahn kommend in ein Bürogebäude tritt, dann ist es eben eher so, dass man aus einem relativ ethikfreien Bereich aufatmend einen halb-zivilisierten Bezirk betritt, wo neben gewissen Resttugenden auch mehr soziale Kontrolle herrscht als in den Anonymzonen der Gesellschaft.
http://link.springer.com/article/10.1007%2Fs11613-013-0346-9#page-1
Lieber Herr Kölling, Ihre Absicht ehrt Sie! Aber schauen Sie mal in die Kommentare einer x-beliebigen Zeitung, in das, was dort trieft vor Respektlosigkeit und Hass. Es ist erschreckend, und es findet unter Gleichen und nicht im Arbeitsleben statt. Wo, frage ich Sie, lauert hier die Lösung?
Letztlich ist das irgendwie auch eine Art „outsourcing“ von ethischen Funktionen. Das humanistische Ideal eine Menschen, der in der Lage ist für sich (und andere) „Gut“ und „Böse“ zu unterscheiden, wir ersetzt durch eine externe Instanz, die eine (ggf. lokal definierte) Konvention „erzwingt“. Das individuelle Verhalten wird „überwacht“ und auf Konformität kontrolliert. Dabei ist am Ende „erlaubt, was nicht bestraft wird“; ethisches Verhalten mutiert zu einem „nicht erwischt werden“.
Das Ganze ist ja auch „lean“. Nicht jeder muss ethisches Handeln beherrschen. Es reicht, wenn ein Einzelner (oder eine kleine Gruppe) festlegt, was OK ist und die Einhaltung überwacht).
Im Unternehmen ist das der „Chef“, im Staat das „Gesetz“ (oder wohl eher die innere Sicherheit oder der Geheimdienst). Außerdem spart das die lästige Konsensfindung bei abweichenden Einschätzungen.
Also rein darwinistisch gesehen, tragen „Tugenden“ nicht mehr wirklich zum Überleben des Einzelnen bei und sterben daher mittelfristig eher aus.
Wir müssten die gesellschaftlichen Konventionen und Regelungen schon dahingehend anpassen, dass ethischen Handeln zwingende Voraussetzung für wirtschaftlichen Erfolg wäre. Dann hätte das Thema Tugend einen neuen Impuls.
Schön sind sie schon, die Tugenden. Aber auch nicht alles. Von Sport zum Beispiel stand nirgends was. Von Medienkompetenz auch nicht. Und auch der Humor kommt nicht vor. Alles Fehler! Aber trotzdem interessant, die neue Welt an alten Werten zu messen.
Mein erster Impuls war Ihnen Recht zu geben. Im zweiten Gedanken tauchte bei mir die Frage aus, ob hier die Arbeit das Privatleben oder das Privatleben die Arbeit beeinflusst.
Wenn die Tugenden Teil unseres Lebens wären, dann müßte unsere Erziehung in Kinderkarten, und Schule die Tugenden eine wichtige Rolle spielen.
Erkennen kann ich dies nicht?
Wie sollen die Menschen die Tugenden erwerben können?
Ob man sie erwirbt…aber man bekommt sie doch vorgebetet?? Man bekommt alles nur vorgebetet…wie man Gedichte schreibt, ohne je welche zu schreiben…
Ich halte es lieber mit Carl Schmitt:
Leidenschaft, Augenmaß und Verantwortung.
Das seien Eigenschaften charismatischer Persönlichkeiten. Imho jedes rechtschaffenen und ehrbaren Geschäftsmann…
Wenn die Lobbyisten nicht die Gesetze entgegen Ethik, Moral und den Tugenden zu verändern veranlassen würden, dann käme ich authentischerweise leicht mit dem Weisungsrecht des Arbeitgebers ganz gut klar 😉
§ 106 Weisungsrecht des Arbeitgebers
Der Arbeitgeber kann Inhalt, Ort und Zeit der Arbeitsleistung nach billigem Ermessen näher bestimmen, soweit diese Arbeitsbedingungen nicht durch den Arbeitsvertrag, Bestimmungen einer Betriebsvereinbarung, eines anwendbaren Tarifvertrages oder gesetzliche Vorschriften festgelegt sind. Dies gilt auch hinsichtlich der Ordnung und des Verhaltens der Arbeitnehmer im Betrieb. Bei der Ausübung des Ermessens hat der Arbeitgeber auch auf Behinderungen des Arbeitnehmers Rücksicht zu nehmen.
Ich kann dem DD221 nur vollinhaltlich applaudieren. Eine lebenswerte Existenz in diesem System ist nicht mehr möglich. Das Grauen, von dem Sie sprechen, ist mir allgegenwärtig.
Na dann wird es aber für’s Arbeitsleben ganz andere Tugenden geben? Ich kenne jemanden, der seine Tugenden aus dem Profisport (Langlauf) mit ins Privatleben nahm. Da kann man nur staunen. Was im Sport funktionierte, macht im Privatleben nur Probleme. Allerdings kann ich nun natürlich einfach behaupten, dass ihn wahre Tugenden auch im Sport noch viel weiter gebracht hätten.
Ich kann das sehr gut nachvollziehen, da ich mich schon seit langem damit beschäftige, wie man das Miteinander im beruflichen Alltag verbessern kann. Denn ich habe irgendwann als ich noch Angestellte war bemerkt, dass es kaum Wertschätzung und Fairness im Berufsleben gab und es sogar von den meisten als normal angesehen wurde. Es kam mir so vor, als wäre man im Dschungel und müsse ums Überleben kämpfen, anstatt dass man hier gemeinsam etwas Positives bewegen will. Wo sollte da der Sinn sein?
Ich habe festgestellt, dass wir mit den bisherigen Denkweisen über Management, Firmen- und Menschenführung auf dem Holzweg sind, wenn wir mit der Dynamik und Komplexität des heutigen Wirtschaftslebens noch zurecht kommen wollen. Und sein Gewissen nutzen, sinnvolle Werte – die auch zu uns passen – und Lebensprinzipien beachten, sehe ich dabei als eines der wichtigsten Punkte an.
Tugenden in der Arbeitszeit sind heute:
Jürgen Fitschen, Rolf Breuer, Thomas Middelhoff, Josef Ackermann, Georg Funke, Wendelin Wiedeking, Holger Härter, Reinhard Q. und Uwe S.
to be continued….
Wou,hab in der letzten Zeit viele gute Artikel gelesen halt nicht in der Mainstreammedium und noch mehr supoptimale in eben dieser Mainstreampresse. Dieser hier zählt echt zur ersteren Kategorie.
Einzelne diesen Tugenden lassen sich noch vereinzelt und zwar meist nur noch in einigen Familien, im Handwerk sowie in einzelnen wenigen Sozialorganisationen finden, so z.B. Meisterehre und vielleicht noch die eine oder andere religiöse Tugend. Bei den meisten Großorganisationen einschließlich religiösen Gemeinschaften und Kirchen, Mittelstand und in Konzernen werden Tugenden gern gepredigt um die ehrenamtlichen und beschäftigten Mitarbeiter tugendhaft gefügig zu machen und zu halten.
Jedoch was regen wir uns hier auf, lehren wir und unsere Gesellschaft mit ihren Institutionen nicht das Gegenteil all dieser Tugenden beginnt es nicht schon im Kindergarten mit Konkurrenzspielen später in der Schule z.B. mit Gehorsamkeitspielen und fortführend in der Ausbildung oder und Studium nun ja das habt Ihr ja alle selbst erfahren, ebenso wird uns dies ständig im Fernsehn, Radio und nun auch im Internet sowie den vielen EGO-Videospielen verdeutlicht, was wirklich wichtig ist in dieser Gesellschaft, sprich all die Tugenden im negativen Sinn.
Wohl dem, der noch im privaten Bereich etwas Kraft und Zeit findet die alten Tugenden zu leben und seinen Kindern zu vermitteln weis.
Vor wenigen Tagen sagte ein alter Freund zu mir über genau dies Thema das ich doch etwas sehr negativ mit meiner Sicht auf diese Welt und vor allem auf diese Gesellschaft eingestellt sei – nun bin ich echt froh, dass ich nicht alleine bin mit meiner Einschätzung.
Dank an dich G. Dueck für diese deine Sichtweise es steckt halt doch noch der Philosoph tief in dir.
Mit freundlichen Grüßen
K.G.Werzner
Also das Thema ist ja einerseits völlig klar, andererseits völlig verwirrend. Es kommt mal wieder auf den Kontext an, in dem die Betrachtung stattfindet. Unterschiede ergeben sich schnell über die Gruppenzugehörigkeit der Betrachter. Katholiken, Evangelen, Budddhisten, Islamisten, Hindus, Bundeswehrangehörige, Preußen, Frauen, Ritter, Bürger, Himmelsnahe, Sozialorientierte, u.v.a.m.; alle haben ein anderes Verständnis zu Tugenden (kann man vielfältigst googeln)! Wie soll da in einer kapitalistisch orientierten Leistungsgesellschaft (der westlichen Deutungshoheit) irgendetwas übrig bleiben, selbst wenn man von einem „gemeinsamem Kern“ an Tugenden ausgehen würde?
M.E. das reine Glatteis in Diskussionen zu diesem Thema. (Für Insider: Das ist nach Daniel Kahneman die Bühne für die Igel. Da freut sich die Medienwelt, denn es gibt Diskussionen ohne Ende, aber mit Superquote)
PS: Für Interessierte: Daniel Kahnemann: Schnelles Denken, Langsames Denken, Verlag Pantheon ISBN 978-3-570-55215-5
So sehr ich den Seufzer verstehe, bleibt mir doch immer ein komischer Eindruck, wenn ich lese, dass es in den letzten Jahrzehnten erst so geworden sei (als ob es „früher“ besser gewesen sei – und nicht vielleicht nur anders?) und der Maßstab bei den Philosophen statt bei den Menschen liegt.
Tier werden unberechenbar und aggressiv, wenn man sie nicht artgerecht behandelt. Eben: artgerecht.
Was sicher nicht funktioniert, ist diese ideale und nicht menschengerechte, die aufgepfropfte Tugend des „du sollst“ und die Erfindung von irgendwelchen Werten, die man zu haben hat. Ergebnis ist ein bigotter Haufen, der lüstern den anderen bewacht, ob er tugendhaft ist. Das haben wir doch längst, siehe Wulff&al.
„Der Mensch“ ist auch heute mehr in Ordnung, als man denkt, wenn man mit den einen umzugehen weiß – und die, mit denen mans nicht versteht, links liegen lässt. Und nicht zulässt, dass man selbst „beschädigt“ wird – jedenfalls nicht zu sehr …;-) Das meiste ist Angstbeißen, und dem kommt man mit der Erfindung von Tugenden nicht bei – im Gegenteil: sie sind oft genug ein Mittel der Aggression….
… und erzähle mir – und sich – keiner, dass er privat tugendhaft und nur beruflich die Sau ist. Das würde eine veritable Persönlichkeitsspaltung voraussetzen.