DD337: Träges Wissen um Innovation

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Träges Wissen ist ein Fachbegriff für Wissen, das man „verstanden“ hat, aber nicht anwenden kann. Viele Leute haben Vokabeln gelernt, können aber im Ausland nicht nach der Toilette fragen.

So geht es mir bei Innovation. Dafür gibt es doch nun Tausende von Büchern, auch viele gute („Das Neue und seine Feinde“ zum Beispiel, von einem bekannten Autor). Die Leute lesen alles genau durch, verstehen es, aber sie tun es dann nicht.

Es gibt verschiedene Ansätze von Autoren: „10 Fehler, die eine Innovation vermasseln“ und „10 Erfolgsfaktoren für Innovation“. Das mit den Fehlern lernen viele, aber die Erfolgsfaktoren verstehen sie zwar – aber eben ohne jede Verwirklichungschance.

Quelle: Adobe Stock Foto

Sie verstehen „Plattform-Ökonomie“, den Wert von Daten als „Öl des 21. Jahrhunderts“, die Wichtigkeit von Agilität und die Kompetenz, den Kunden im Mittelpunkt sehen zu können. Aber umsetzen? Sie glauben immerhin, sie könnten es umsetzen, wenn sie Zeit und Geld hätten, dazu einen Ideenmanagementprozess und einen Innovationsprozess, bei dem solche Top-Manager die Innovationsvorschläge beurteilen, die noch gar nichts selbst checken, weil sie seit Jahren hochqualifiziert das Tagesgeschäft betreiben. Man nimmt wohl an, dass ein hohes Gehalt zu allem befähigt, zum Beispiel zu einem US-Präsidenten.

Warnungen gab es doch genug in der Schule. Wir haben kein gutes Gedicht zustande gebracht und erfolglos Picasso nachgeäfft. Wir haben sehr wohl verstanden, wie sich gute Aufsätze lesen, aber wir konnten keine solchen schreiben. Wir wissen, wie Kommunikation ablaufen sollte. Wir haben Bücher über effiziente Meetings gelesen, aber wir vertrödeln unter drängendster Terminnot die liebe lange Zeit. Wieso glauben wir dann, wir könnten nicht nur lernen, wie man Milliardär wird, sondern es auch umsetzen? Bei Musik ist vielleicht am klarsten: Glauben Sie, man könne ganz ohne Talent beschließen, Profi-Musiker oder Fußballbundesliga-Spieler zu werden?

Seltsam. Wenn wir einkaufen, verstehen wir die Qualitäten und schätzen ein Super-Design. Gutes lässt sich überall bewundern, aber wenn wir selbst etwas versuchen, geht es schief, weil der Kunde es so nicht annimmt.

Vielleicht ist das Wissen um das Hervorragende nur passiv in dem Sinne, dass wir es als Gebildete schätzen können, aber niemals vermögen, es selbst umzusetzen?

Wir studieren Heilige, Helden, Künstler, Dichter, gar Götter – das muss sein, damit wir mögliche Vorbilder als Blaupausen kennen, heißt es. Und danach, nach dem Abitur, werden wir Rechnungsprüfer, zum Beispiel.

In dieser Weise, so wie wir Aufsatzschreiben, Blockflöte, Reimen und Nachmalen geübt haben, versuchen wir innovativ zu sein. Change Management, so sagt man, ist der härteste Job. Innovation wird dagegen für leicht befunden. Brainstorming, kurz was im Workshop erfinden, einen halben Tag Design-Thinking mit Legos und Duzen anschließen, dann nur noch umsetzen.

Ach, und ich frage mich: Ist alles Wissen um das Hohe nur träges Wissen? Oder versteht man das Hohe doch nicht wirklich?

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13 Antworten

  1. Es genügt nicht, über Wissen nur zu lesen. Auch weniges Anwenden, wie zum Beispiel in der Schule (wieviele Gedichte haben Sie dort geschrieben?) reicht noch nicht aus, schon garnicht, wenn das zur Verbesserung erforderliche konstruktive Feedback fehlt (welcher Lehrer schreibt schon selbst gute Gedichte und kann erklären, was zu ändern ist?). Am Anfang steht die Suche nach einem Meister, einem Mentor, der den Weg bereits gegangen ist. Der mit seiner Erfahrung und seinem aktiven Wissen zur Seite steht und unterstützt. Diesen Schritt zu gehen, fällt vielen schwer oder erscheint nicht nötig. Schließlich gilt als Experte, wer einmal ein Buch zum Thema gelesen hat.

  2. Steht vor einem Anwendung von jeglichen Techniken nicht das Verständnis seiner selbst?
    Jeder Mensch kann nur im Rahmen seiner Persönlichkeit agieren. Da viele Menschen am Erkenne Dich selbst scheitern, wird es auch nichts mit Innovationen. Alles studieren von Vorbildern hilft hierbei wenig.

    Zweites Grundproblem mit Innovationen ist, dass jede Innovation das bestehende Geschäftsmodell in Frage stellen muß. Nach Kahnemans ist es schwer, als Mensch und als Organization Neuland zu betreten. Selbstverständlich ist es für eine Firma schwer, das Risiko eines Geschäftmodellwechsels einzugehen.

  3. Leidenschaft Zeigen und anderen (dem Kunden, den Kollegen) Dienen, sie mitnehmen und begeistern. Immer konstruktiv bleiben.

    Ich schaffe das nicht ständig (Ich bin auch mal passiv), im Kleinen ab und zu, im Großen eher selten, ich wünschte aber das öfter zu schaffen und ich liebe bzw. schätze Mitmenschen, die das leben bzw. als Ziel haben und mich teilhaben lassen an ihrem Tatendrang, mich als Mitstreiter respektieren.

    Es gibt aber auch Desinteresse, Egoismen und Machtmissbrauch und begrenzte Talente und Kräfte und die Unwegbarkeiten des Lebens.

    Besserwisserei oder träges Wissen wirken nicht motivierend in der Gruppe und sind eher “Selbstschutz” bzw. Selbstbeschränkung.

    Einer fauler Apfel…

    Nicht alle wollen und können Führen und nur die Hälfte aller Anführer sorgen für fairen Ausgleich bzw. Teilhabe.

    Das ganze Leben ist eben auch Kampf, im Positiven wie Negativen.

    Don’t give a succer an even break.

    Wer gute Ideen und Innovationen hervorbringt muss sogleich das Abkupfern fürchten – oder er ist einfach ständig? besser, aus sich heraus. Das kann Kraft kosten muss es aber nicht.

    Es können nicht alle alles ständig besser machen oder ständig selbst besser werden (das Leben passiert in Phasen und hat verschiedene Schwerpunkte, das gilt auch für ein Fussballspiel), aber man darf verlangen, das Destruktivität geächtet und auch gahndet wird! Da gibt es die Rote Karte!

    Träges Wissen ist nicht durch und durch destruktiv, es fordert auch heraus es selbst besser zu machen!

    Und ständig die Frage:

    Live fast, die young?

    Es gibt welche die sagen JA, andere leben mit angezogener Handbremse und leben nachher manchmal tatsächlich länger.

    Beide können mir sympatisch sein.

  4. Ich frage mich ob wir nicht fähig sind Innovationen hervor zu bringen oder ob Innovation durch Abstimmung und Kompromiss in Meetings zum Durchschnitt eingedampft wird.
    Aus heutiger verklärter Sicht scheint es uns als ob die größten Innovationen in Deutschland in der Gründerzeit stattgefunden haben. Ich will nicht beurteilen ob es tatsächlich so war, viel wichtiger scheint mir die Betrachtung des Typus Innovator. Die Siemens, Daimler, Benz, AEGs, Thyssens und Krupps. Das waren weitestgehend Despoten. Ihr Wort war Gesetz. Da gab es keine Abstimmung zur Mittelmäßigkeit. Die und viele andere haben auf Risiko gespielt, einige haben das Spiel gewonnen, andere nicht. Ich glaube diese ALL IN Mentalität fehlt heute. Jeder ist bemüht erstmal den Wohlstand zu erhalten. Das ist das oberste Gebot. Jeder setzt auf das was sich bewährt hat. Ist eine Idee radikal, dann muss so viel Bewährtes als Ballast dran geschraubt werden bis die Idee nicht mehr erkennbar ist. Heute schraubt man Carbon an Autos weil man kompromisslos auf Leichtbau setzt, dabei ist ein aktueller Golf inzwischen 50% schwerer als ein Mercedes der 80er. Klar der ist auch schneller, verbraucht weniger Sprit, ist leiser komfortabler usw usw. Die Gegenargumente sind alle klar, aber an welcher stelle genau kann ich die Idee vom Radikalen Leichtbau noch erkennen?
    Tesla baut Autos die radikal anders sind, ich mag die Dinger nicht, aber die Deutsche Industrie baut jetzt Elektro Autos die möglichst nah an ihren Verbrenner Vorgängern sind. Wo ist die Innovation? Das Surren gegen Brummen ausgetauscht wurde?
    Ich glaube die Ingenieure, Techniker, Mathematiker und Physiker könnten durchaus, man muss sie nur mal von der Leine lassen und ihnen nicht immer wieder Ideen des letzten Jahrhunderts als Gefängniskugel ans Bein schrauben. Ich glaube nicht das es uns an Innovation fehlt, auch wenn wir in der Schule mehr wert auf Mathematik legen als auf malen.

    Glück auf
    Detailverliebt

  5. Viele der Innovationen, die irgendwie am Horizont herumwuseln, verlangen von „unseren“ Unternehmen auch eine qualitive Veränderung. Also nicht nur ein paar neue Produkte dem Sortiment zufügen, sondern Produkte schaffen, die die ganze bisherige Art von der Konzeption, dem Patent bis zur Produktion und den Vertrieb verändern würden. Weg von der Art und Weise, mit der man in der fünften Generation erfolgreich ist.
    Warum geht das so schwer?
    Beharren ist auch politischer und gesellschaftlicher Konsens.
    Wie ist uns der Markt der Kommunikations- und Unterhaltungselektronik entglittet? Viele Patente wurden in D entwickelt.
    5G? Die Frage ist, kaufen wie die Komponenten bei den Chinesen oder den Amerikanern, weil hier in D und auch der EU niemand mehr die Komponenten herstellen kann.
    14 Milliarden € verbrennen wir in den nächsten Jahren, damit wir keine Braunkohle mehr verbrennen und gestalten den Abbau von 20.000 Arbeitsplätzen. In der Photovoltaik sind 80.000 Arbeitsplätze verschwunden nach der vorzeitigen „Umgestaltung“ der Energiewende. Die Chinesen haben in der Branche derweil über 1 Million Arbeitsplätze geschaffen.
    E-Autos? Die Panik eines Herrn Diess, der das just zu der Zukunftstechnik überhaupt und sowieso erklärte, gäbe es nicht, wenn die Chinesen, Hauptabsatzmarkt, nicht einfach eine Quote eingeführt hätten. Inclusive Bußgeld oder Verkaufsverbot.
    Da passt es, dass im Ingeneurland D gerade das Auto-Kartell aufgeflogen ist, das eine mittelschlechte Technik in die Ewigkeit retten wollte.
    Die Amerikaner sprechen seit Eisenhower vom militärisch-industriellen Komplex. Wir haben vergleichbar, was man als Deutschland AG bezeichnet. Dieses Biotop ist zu einem Unternehmensschutzgebiet geworden, wo die wirtschaftliche Vernunft den Unternehmen gebietet, an alten Techniken festzuhalten. Inoovation ist immer Risiko, Bewährtes dagegen wird bei uns geschützt und subventioniert.
    Dieses Biotop müsste durchgelüftet werden. Nur sehe ich weit und breit keinen politischen Willen dazu.

  6. Ich vermute, das Problem hat viel mit Begeisterung, Ausdauer, Energie und Selbstvertrauen zu tun. Unsere Schulen wirken da wohl an vielen Stellen leider eher dämpfend.
    Ich bin ein Fan der Erkenntnis „Die meisten Menschen überschätzen enorm, was sie in 10 Stunden schaffen können, und unterschätzen enorm, was sie in 10 Jahren schaffen können.“

  7. Lehrer sind verpflichtet 4 Klassenarbeiten pro Schüler zu schreiben,ein Lehrer unterrichtet ca. 300 Schüler, das sind also 1200 Korrekturen, das Jahr hat 365 Tage!!! Wie viele Wunder schaffen Sie denn täglich?

  8. Hallo Zusammen. Ich denke das Ganze hat auch damit zu tun „fail early, fail fast and fail intelligent. Und bei Intelligent fehlt es oft. Es gilt aus meiner Sicht die maximale Unternehmensintelligenz stets im vollen Umfang einzusetzen und stets auf ein neues Level zu bringen. Dieses neue Level entsteht nicht dadurch dass alle zwei Monate ein neuer Berater wieder eine neue InnoMethode vorstellt und jeder bei NULL beginnt sonder aus meiner Sicht Professionisten die sich stets am Rande des machbaren bewegen und durch Methoden wieder ein höheres Level erreichen um für eine komplexe Welt – einfache Lösungen zu finden.

  9. Ich freue mich immer wieder über diese Kolumne mit ihrer Ironie zum menschlichen Verhalten – aber ist schon jemandem aufgefallen, dass wir seit 2019 nur noch monatlich in diesen Genuss kommen???

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