Die meisten Ideen landen im Shredder, das ist klar. Die meisten Fußballer schaffen es nicht bis zum Profi, und die meisten Gedichte werden nie gelesen, genauso geht es wissenschaftlichen Veröffentlichungen. Abgesehen davon: Gute Ideen setzen sich eben auch kaum durch. Ich gebe hier einige Gründe, warum in den Konzernen auch gute Ideen nicht so recht vorankommen.
Es gibt kleine gute Ideen und große gute Ideen.
Kleine Ideen sind oft sehr gut ausgereift und lassen sich gut umsetzen, wenn – ja, wenn – sie die Prozesse des Unternehmens nicht stören und wenn sie sich am besten noch in der eigenen Hauptabteilung umsetzen lassen. Der Hauptabteilungsleiter muss sich am besten dafür einsetzen, das Projekt fördern oder wenigstens wohlwollend dulden. Kleine Innovationen stehen aber auch unter solchen günstigen Umständen immer stärker vor der Hürde der „Finanzierung“, weil die umsetzenden Mitarbeiter, die früher Innovationen nebenbei betrieben haben (Torpedo, Keller, Hobby), heute so sehr viele Überstunden schieben, dass sie keine Energie mehr übrig haben! Sie werden auch nicht mehr gelobt, wenn sie etwas außer der Reihe hinbekommen, weil sie – so findet das Management – in dieser Zeit alternativ noch an den Quartalszielen hätten arbeiten können.
Die Quartalsziele sind wie ein Schwarzes Loch für Schaffensenergie. Das ist so gewollt.
Wenn kleine Ideen aber erfordern, andere Abteilungen oder gar Bereiche zum Mitmachen zu bewegen, setzt es Meetings ohne Ende, deren immense Kosten übrigens nie mitgezählt werden.
Wenn man einem Projektantrag die Meeting-Kosten, die bis zu seiner Ablehnung anfallen, als Anfangsinvestition gäbe, dann wäre schon viel für ein Unternehmen getan.
Wegen kleiner Innovationen werden nie und nimmer Prozesse geändert, außerdem schalten Manager nur das Gehirn ein, wenn die Ideen im Prinzip versprechen, in der Größenordnung zu helfen, in der sie selbst denken. Wenn man also für eine kleine Innovation die Genehmigung von weiter oben braucht, muss die Idee so groß sein, dass sie in einem vernünftigen Verhältnis zu den Umsatzvorstellungen derer da oben passt. „Leute, die Idee mag ja ganz gut sein, aber ich brauche nicht solchen Kleinklein, ich muss schließlich den ganzen Bereich weiterbringen. Bringt doch einmal etwas Größeres.“
Wir bringen also etwas Größeres, was unbedingt verspricht, dass dann das Business durch die Decke schießt.
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Die großen Ideen aber stoßen an die Unternehmenskultur, an vergessenen Grundannahmen und verfolgten Strategien. „Unsere Kunden wollen das nicht.“ – „Der Großhandel torpediert uns.“ – „Wir können nicht xy verprellen.“ – „So etwas liegt nicht in der DNA unseres Unternehmens.“ – „Das ist vernünftig, aber das können wir nicht, wir haben es schon versucht.“ – „Wir wollen uns nicht öffnen, wir leben gut von unseren proprietären Lösungen, mit denen wir unsere Kunden gefangen halten.“
Kleine Ideen verursachen Aufwand. Große brauchen Nerven, Mut, kosten Ärger, bedingen einiges an Risiko und gefährden Karrieren. Aus meiner ungeduldigen Drangzeit (so um 2000): Ich wollte mit Business Intelligence Firmen kooperieren. „So etwas machen wir grundsätzlich nicht.“ Ich wollte gerne so etwas machen wie Google Maps, als es noch nicht einmal Google gab – ich habe damals aus Protest gegen das Achselzucken ein Kapitel darüber in meinem ersten Buch publiziert (in „Wild Duck“). Kollegen hatten damals Software „wie SAP“ als Prototyp fertig…, aber der Vertrieb fand, das sei zu weit weg von Hardware… Ich will nicht jammern oder anklagen, aber es wäre gut, wenn große Unternehmen einmal als Liste formulieren, was sie absolut nicht wollen, damit Innovatoren nicht immer an dieselben Betonwände rennen und damit die Unternehmen einmal in Schriftform dokumentieren, wofür sie sich einige Jahre später schämen müssen. Vielleicht wird die Liste mit der Zeit kürzer. Zum Beispiel:
- Kein Fremdkapital aufnehmen!
- Alles selbst machen! Macht behalten!
- Investitionen absolut vorrangig in „mehr vom Gleichen“ als etwas in etwas Anderes
- Investitionen ja, aber der Gewinn muss trotzdem steigen!
- Niemanden verärgern, damit wir immer gut dastehen!
- Nur Innovationen, die sich an unseren vorhandenen Skills und den gesetzten Prozessen orientieren.
- Kunden sollen kaufen wollen, was wir gut können und gerne tun.
- Zuspätkommen bei Innovationen mit Not-Akquisitionen heilen (Aufkaufen drittklassiger Innovatoren, die sich willig wegen drohenden Scheiterns liebend gerne am Markt anbieten, um doch noch schnell an die große Kohle zu kommen).
Wenn diese Aversionsliste fertig ist, dann, liebe Top-Manager, schauen Sie sich an, welche Liste wohl zum Beispiel Elon Musk haben könnte. Fertigen Sie diese im Geiste stellvertretend für Musk an. Geht schnell. Und Sie erkennen, warum große Ideen bei Ihnen immer scheitern.
4 Antworten
Dies betrifft große Firmen. Was ist die Grenzgröße, wo das nicht so ist? 500, 5.000, 10.000 Mitarbeiter? Ich empfinde 100.000, ja schon 25.000 Mitarbeiter oder mehr als zu groß; das ist wie Rußland, „zu groß, um demokratisch regiert zu werden“ (hat ein Präsident gesagt)
Und die Sache mit den Meetings: Das sind Eh-da-Kosten, weil es sich auf die Mitarbeiter (Mänädscher) bezieht, die ihren Sinn darin haben (!), genau diese Meetings abzuhalten (nennt man auch „Wasserkopf“). Also auch hier: Was wäre die Grenzgröße? Denn ein kleines Unternehmen ist dazu „verdammt“ zu innovieren, um am Markt zu bestehen (von den Start-ups abgesehen, die Einhörner von Anal(z)ysten-Gnade werden). Das ist übrigens auch ein Geschäftsmodell jenseits der Innovation – „Vaporware mit viel Potenzial“.
Gibt es eine Kenngröße? In großen Firmen siegt die Bürokratie und kleine gehen bei Mißerfolg (=falsche Innovation) pleite. Vielleicht ist Google hier ein Anhaltspunkt. 1Tag in der Woche folgen die MA ihren Idden (Innovationen?). Dies wären ca 20% des Personalaufwandes bei Innovativen Unternehmen. Ich schätze die Zahl liegt ja nach Unternehmen so zwischen 5 – 20% der Arbeitszeit.
Was auch bezüglich Google infrage gestellt wird, ob das tatsächlich so ist; siehe etwa https://channels.theinnovationenterprise.com/articles/the-myth-of-google-s-20-time – ich denke dieser Satz ist klug: „World-changing innovations do not occur because people have a specific space or more time to think about new ideas, the eureka moment where somebody just happens upon an idea from nothing does not generally happen. Instead, it is people doing normal things, finding an issue or opportunity from those activities and running with it, whether that’s taking place within 20% of their work life or not. „
Auf der anderen Seite stehen die vielen kleinen Unternehmen (unter 150 MA), die durch die wahlweise „alles gleichzeitig“, „viel hilft viel“, „wilder Aktionismus“ Mentalität des Chefs/Inhabers ausgebremst oder ausgebrannt werden.
Da kommt eine Beschwerde eines wichtigen Kunden, und der Chef dreht durch. Verfällt in wildem Handeln und treibt alle an, „irgendetwas zu tun“.
Da wird alles Angeboten was auch nur in etwa in die Kernkompetenz Richtung des Unternehmens geht. Einfach mal den Bauchladen angeschnallt und schauen was der Kunde gebrauchen kann.
„Da rennt er wieder mit hochrotem Kopf wie Rumpelstielzchen durch die Flure und schreit jeden an, der nicht rechtzeitig aus dem Weg geht.“ (O Ton eines Mitarbeiters)
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