DD364: Steh anders auf als du fielst

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Es gibt unsägliche Managerfloskeln wie „Wir sind gut gegen den Kunden aufgestellt“ oder „Am Ende des Tages…“ Und Sie kennen ganz sicher auch: „Man darf hinfallen, klar. Aber man muss wieder aufstehen. Es kommt nicht darauf an, wie oft man hinfällt. Man muss einmal mehr aufstehen als hinfallen.“ Das werden unsere Chefs vom Boxen gelernt haben oder in Meetings.

Die Wirtschaftswissenschaftler kennen dieses Denken wie „Auf und Ab“ ebenfalls. Sie sprechen von Hochkonjunktur und Rezession.

Ich protestiere: Diese Gedanken gehen von einer stabilen Welt aus, in der sich eigentlich nicht viel ändert. Mal wird wenig gekauft, mal mehr. Besonders gut passt das Bild eines Landwirtes dazu: Je nach Wetter schwanken die Ernteerträge und die Marktpreise. Es gibt Schweinezyklen, gute und schlechte Jahre. Was zu tun ist, steht im Alten Testament: In Ägypten speichert Joseph in den guten Zeiten für die schlechten. Die Bibel ist wohl in Vergessenheit geraten. Man speichert heute nichts in den guten Zeiten und jammert in den schlechten Zeiten, dass der Staat die Speicher öffnen soll. Das geht heute ohne Speicher, einfach durch Schuldenaufnahme. Wir managen also in normalen und stabilen Zeiten mehr schlecht als recht.

Jetzt aber kommt die Digitalisierung, die so ziemlich alles verändert. Jetzt müssen wir auf alternative Energien umsteigen. Jetzt stehen wir vor Umwälzungen in der Medizin, die unter dem Label Biotech laufen. KI und Big Data ziehen ein. Maschinen arbeiten autonom. Der Mensch, der noch gut leben will, muss professioneller und gebildeter sein als je zuvor. Das kennen Sie bestimmt alles; es wird derzeit so oft betont! Und?

Wir haben derzeit noch eine Corona-Krise dazu, zusätzlich zu den genannten Umwälzungen. Was aber fällt nun allen ein: „Wir wollen alles wieder wie früher und brauchen Geld aus dem Drucker, damit wir ohne großes Leiden diesen früheren Zustand wieder erreichen.“ So reden die Bauern seit Jahrzehnten.

Der Klimawandel beschert uns Dürrezeiten, einige Baumarten sterben. Müssen die Bauern und Forstmeister nicht überlegen, ab jetzt zu experimentieren, um andere Pflanzen anzubauen? Warum sollen wir Dieselprämien zahlen, wo doch alles auf Wasserstoff-Autos hinausläuft? Warum verweigern wir uns der Digitalisierung? Warum hängen wir an der klassischen Schule/Uni mit Bulimie-Lernen? Und wenn wir schon etwas träumen, muss es unbedingt europäisch sein – damit wir bei den europäischen Geldregen-ohne-Leistung-nur Meetings-Traumprojekten vergessen können, dass man auch exzellente Ergebnisse erzielen muss… Überall scheint durch: Wir wollen alles wie immer und ohne Störung von außen. Die da jenseits der Grenzen, die Chinesen etwa, die sollen uns am besten alles abkaufen, weil es deutsch ist. Denn wir sind ja Exportweltmeister, dass müssen die andere akzeptieren…das war immer so.

Quelle: https://stock.adobe.com/de/images/crash-during-fast-ride-on-a-quadbike/293070519?prev_url=detail

Wenn man das Ende von Braunkohle, Kohlepapier, Fax, Kernenergie, Dieselantrieben, Karteikarten und Akten-Ordnern als „Hinfallen“ betrachtet, dann müssen wir anders aufstehen. Mit anderen Augen sehen, anders denken, anders arbeiten, anders lernen – und etwas anderes tun.

Wer stets so aufsteht, wie er hinfiel, wird darüber alt und fällt dann doch zuletzt. Dann wird aus „Up & Down“ schließlich „Ab & Down“. Und lassen Sie bitte, auch als Oberboss, dieses dämliche „Wir werden aus dieser Krise gestärkt hervorgehen“. Haha… das ist wie die Vorstellung von „Auf & Up“, die Ihnen die Berater gegen viel Geld injizieren.

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19 Antworten

  1. Danke! Gute Gedanken. Ich muss erst noch länger drüber nachdenken, bevor ich das ansatzweise auch nachvollziehen kann. Das Bulimie-Lernen hat’s mir aber angetan. Auch Ihr Bogen zum alten Testament tangiert hoffentlich einige Menschen. Es gab ja auch mal klare Anweisungen in den zehn Geboten, die einen Clan oder ein Gruppe zusammen halten sollten. Damals schon war eindeutig, was nach „Du sollst“ oder „Du sollst nicht“, zu erwarten war. Da waren die Gruppen kleiner. Aber heute denke ich braucht es auch sowas wie eine Eindeutigkeit. Und da hat in dieser Krise jemand eindeutige Entscheidungen getoffen…die Krisenregeln und Verordnungen sind eindeutig. Auch, wie lange sie gelten müssen. Und dann.. dann.. können wir gar nicht weiter machen wie vorher- wir wir wissen nun ganz genau, was gut ist und was schlecht ist. Und wie zerbrechlich diese menschliche Gesellschaft ist, wenn Regeln nicht beachtet werden. Und Regeln ändern sich auch schon mal. Und ja. Hier geht kein einziger Mensch gestärkt raus. Als ich meiner Oma das Fernsehbild vom ersten Menschen auf dem Mond erklären konnte, fand sie kaum Worte, aber eine Gute Veränderung des menschlichen Verhaltens sah sie voraus. Hat sie sich geirrt?

  2. Was nützt den Bossen innovatives Experimentieren mit Zukunftstechnologien, wenn die Politiker vornehmlich konservative Verfahren unterstützen und nicht genügend Willenskraft – auch gegen Bevölkerungswiderstand – aufbringen, genau diese Unternehmen zu unterstützen! Nur etwa 15% der Bevölkerung müssten die zukunftsweisenden Trends unterstützen um die Gesamtmasse mitzureissen – 15% Wähler reichen aber eben nicht als Wählerpotential, wenn über 50% konservative oder sozialistische Richtungen wählen.
    Der finanzielle Unternehmenserfolg ist eben kurz/mittelfristig im konservativen Milleu eher gesichert – also doch ein „up“ – welches nicht-Eigentümer geführte Unternehmen denkt noch langfristig?
    Ja – „Corona“ ist eigentlich genau der notwendige Impuls zum Aufbruch! Nur ist unsere Gesellschaft zu mindestens 10 Millionen Menschen ohne Erwerbseinkommen und der Notwendigkeit zum bedingungslosen Grundeinkommen nicht bereit.

  3. Ist doch psychologisch bekannt: Der Mensch hängt mehr an bekannten, als dass etwas unbekanntes macht. Nur Gier oder extreme Angst „helfen“ ihm seine Verlustängste zu überwinden.

    Innovation kommt deshalb nur über neue Firmen, die keine Geschichte haben: Start-ups treiben den Wandel.

    Politik kommt aber von der anderen Seite: möglichst viele Wähler zu halten bzw gewinnen um ihre Macht auszuweiten. Da passen kleine Firmen nicht ins Bild. Innovationen gehen immer gegen die Politik.

    Wenn eine Gesellschaft Innovationen fördern will, dann müssen die Verbraucher möglichst wenig Steuern zahlen und es keine Subventionen für bestehende Firmen geben. Die Verbrauchen kaufen dann die Innovationen, die ihnen den meisten Nutzen versprechen. Jeder Einzelne für sich. Summiert ergibt es dann einen Trend.
    Der Staat kann dies aber niemals leisten.

  4. Mal wieder ein schöner Beitrag, lieber Gunter Dueck!
    Dabei muss ich schmunzelnd an den Slogan der CDU zum letzten Bundestagswahlkampf denken: „Für ein Deutschland , in dem wir gut und gerne leben“. Klingt absolut nach weiter-so, bloß nix ändern, und hat in etwa soviel Esprit wie Kartoffelsalat vom LIDL.

  5. Dazu empfehle ich das Buch „Digital Darwinism“ von Tom Goodwin. Er beschreibt wie wir versuchen unser bestehendes Gedankengerüst auf Neues anzuwenden. Sehr anschaulich bei der Einführung von Elektrizität und eben nun auch bei der Digitalisierung. Zu häufig digitalisieren wir analoge Prozesse statt die neuen Möglichkeiten zu nutzen. Aktuell ist es aber für zu viele CEOs die persönlich klügere Entscheidung, das zu machen, was alle machen, um kein Risiko zu gehen, zu scheitern. Goodwin wie auch Sie lieber Herr Prof. Dueck haben leider einfach nur recht. Es gibt aber auch Hoffnung, wenn wir es einfach anders machen und konsequent „nerven“.

  6. Da muß der Amthor etwas falsch verstanden haben??

    Engagement in Start-up: super
    Innovationen fördern: super
    Digitalisierung unterstützen: super
    Veränderungen vorantreiben: super
    Mit anderen Augen sehen, anders denken…: super

    Und nun diese Vorwürfe???
    Nur weil man ein wenig am Engagement verdienen will!!!
    😉 😉

  7. Wie wäre es, wenn man/frau richtig aufstehen würde ? (ohne gebückte Haltung!)

    Die bestehenden Strukturen basieren zum einen auf der Notwendigkeit und Selbstverständlichkeit, mit der die meisten Menschen sich für die Interessen einer kleinen Minderheit einsetzen (müssen).

    Und zum anderen auf den mangelnden Fähigkeiten der Menschen sich selbst ohne oligarchische Herrschaftsstrukturen kooperativ zu organisieren. Beispiele, wie Mondragon und Cecosesola, die zeigen, dass dieser Zustand überwunden werden kann, wurden bis jetzt weitgehend ignoriert.

    Ich befürchte, die Zwänge, denen die Menschen unterworfen sind, werden in Zukunft immer stärker werden. Die „guten Zeiten“ wurden meiner Meinung nach verschlafen. In den jetzt beginnenden schlechten Zeiten kämpft wahrscheinlich bald jeder alleine – für sich und seine Familie, während die Konzentration der Wirtschaft (und der Vermögen) immer extremere Formen annehmen wird.

    Was unterscheidet die heutige Gesellschaft im Kern von einer mittelalterlichen Feudalgesellschaft ? Ist die „realexistierende“ Demokratie auch in Deutschland in Wirklichkeit eine Oligarchie mit ein „bisschen Sozialgedöns“ ? (Keine Frage – Immer noch viel mehr als in vielen anderen Ländern.)

    Gerade erleben wir, wie der letzte Rest einer halbwegs erträglichen Zukunft unserer Kinder und Enkel für die Rettung des herrschenden Systems verpfändet wird. An wen?

  8. Ich stimme dem gesagten fast vollständig zu – nur der Satz „Wir werden aus der Krise gestärkt hervorgehen“ – soll keine Floskel, sondern ein Auftrag sein – viele Manager haben während Corona gelernt, das Mobiles Arbeiten DOCH funktioniert – und das hat hoffentlich ihren Glauben in die Mitarbeiter GESTÄRKT – in manchen Firmen werden jetzt schon Pläne für „nach Corona“ geschmiedet, wo Mobiles Arbeiten einen deutlich höheren Stellenwert als zuvor hat – Also aus jeder Krise und aus jedem Problem kann und soll man etwas lernen und Schlüsse für die Zukunft ziehen – insofern, wenn man das beherzigt, geht man schon gestärkt aus der Krise, man muss aber willens sein, zu lernen und zu verbessern – von selbst oder durch leeres Gerede passiert das nicht!

  9. Worin soll jetzt das Rätsel bestehen?

    In den letzten Jahrzehnten wurde alles der Idee der Effizienz untergeordnet.

    Robuste Systeme sind nicht effizient. Innovation ist nicht effizient.

    Muss man die logische Konsequenz noch ausbuchstabieren?

  10. Lieber Herr Dück, wie immer reden sie mir von der Seele. ABER: Wo sollen diese Menschen denn herkommen, die sie fordern, sich wünschen? Sie sind doch alle Produkte dieser Art zu Lernen, dieser Art zu Fallen, dieser Art Aufzustehen. Wie kommen wir den raus, aus dieser Gefangenschaft, diesem Zirkel. Das ist doch die Frage. Wir brauchen Vorbilder, Pflanzen, die durch die Teerstraße brechen, in Schule, Uni und Wirtschaft. Aber da bin ich selbst wieder bei alten, verbrauchten Bildern. Wir brauchen neue Bilder und heute um 07:53 Uhr fällt mir keines ein.

    1. Wie wäre es selbst das Vorbild zu sein und andere anzuregen? Ich versuche es im Kleine, auch mit meinen Kleinen.
      Grassroot 😉 Veränderung von unten nach oben. Selber anfangen und nicht auf andere warten.
      Lasst uns den Samen dessen sähen, was wir später wachsen sehen wollen.

      Und ich finde Herr Drosten gibt ganz brauchbares Bild ab auf seinem Prominenzniveau.

  11. Das Bild mit der Bibel ist vielleicht ein bisschen polemisch geraten. Man sollte die Politik der schwarzen Null in den letzten Jahren unbedingt kritisch hinterfragen, aber hat da der Staat nicht gerade „in guten Zeiten gespart“, auf dass er in schlechten „Corona“-Zeiten mehr Spielraum hat?

    1. Wir können die heutigen Staatsschulden gerade noch ertragen, weil die Zinsen bei Null sind. Wenn die wieder auf – sagen wir – fünf Prozent steigen, wqs empfehlen Sie dann gegen den Untergang? (Nein, für Corona ist nicht gespart worden, aber privat sparen wir auch nicht für einen Beinbruch, sondern man hat „Reserven“; der Mangel an solchen hat uns die Finanzkrise beschert, und letzte Woche regte sogar Joe Kaeser von Siemens an, man müsste Unternehmen gesetzlich verdonnern, Reserven für Krisen zwingend zu haben…)

  12. Wir sind halt satt, dick und faul geworden. Manchmal stelle ich an mir selbst auch den ranzigen Geruch des ängstlichen Abwartens fest.
    Hadern, zweifeln, abwarten und … nix. Nur um wieder beim alten zu landen. Bloß kein Risiko eingehen. Am Ende verändert sich ja noch etwas. Mir geht es (noch) gut, so wie es ist. Weshalb soll ich etwas ändern?

    Dann kommt mal so en „Corona Ding“ um die Ecke. Wäre doch gelacht, wenn wir das nicht aussitzen können.

    Solange alles noch einigermaßen ertragbar ist, lass ich das mit der Veränderung erstmal bleiben. Wird schon alles gut ausgehen. Und falls es nicht gut ausgeht, kann ich ja immer noch was verändern. Ich muss das ja nur richtig wollen.

    1. So ist es,
      der Leidensdruck ist der wichtigste Veränderungstreiber. Wird er durch Maßnahmen verringert ändert sich eben weniger! Der Mittelweg beim Leidensdruck ist schwer zu finden. (Zu) hoher Leidensdruck kann auch schnell ins Chaos führen.

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